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Das abartige Artefakt

Das abartige Artefakt

Titel: Das abartige Artefakt
Autoren: Christian von Aster
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sodass Nattergriffs Gewicht jetzt bloß noch von den beiden übrig gebliebenen Tiere gehalten wurde.
    Verzweifelt blickte sich der Dieb um, auf der Suche nach Halt.
    Mit einem leisen Ploppen löste sich der nächste Käfer. Nattergriff schloss die Augen. Dann folgte der letzte Steinschlinger dem Beispiel seiner Artgenossen, und der Meisterdieb stürzte in den Gang hinab.
     
     
    Als die beiden Felswehrgardisten hinter der Biegung ein lautes Rumpeln vernahmen, packten sie ihre Äxte fester und beschleunigten ihren Schritt.
    Dies war womöglich der erste Ernstfall ihrer jungen Karriere, eine einmalige Möglichkeit, ihre Loyalität gegenüber dem Verwalter zu beweisen und sich ihren ersten Hammer zu verdienen. Und dafür waren sie nur allzu bereit. Die Felswehr war jung, und die Aufstiegschancen waren immens. Es brauchte Helden, Hauptmänner und Generäle. Da konnte es nicht schaden, sich ein wenig hervorzutun. Zumindest, solange es nicht allzu gefährlich war.
    Als die beiden Zwerge nun in voller Rüstung und mit erhobenen Stahlschleudern { * } um die Ecke bogen, hätten sie es sogar mit einer kleineren Übermacht von Trollen aufgenommen.
    Wenn die Trolle nicht allzu groß waren, jedenfalls. Die aber sollte ihnen nicht vergönnt sein.
    Stattdessen fanden sie am Boden des Ganges den Kadaver eines riesigen geplatzten Rumpelkäfers. Das erklärte den Lärm freilich. Die Tiere brüteten ihre Nachkommenschaft im Inneren ihres Körpers aus und platzten, wenn diese schließlich schlüpfte, mit einem lauten Knall.
    Das sah also nicht nach einem Karriereschub aus.
    Die beiden Gardisten verfluchten das Käferpack, schulterten ihre Äxte und setzten ihren Rundgang fort.
     
     
    Eng an die Wand gepresst atmete Bragk Nattergriff unter seinem Felsnesselumhang auf. Der Trick mit dem toten Rumpelkäfer war einer der ersten, die er von Silberkies gelernt hatte.
    Und da die Gardisten das tote Tier nicht weiter beachtet hatten, konnte er es nun wieder einsammeln und zurück in seinen Beutel stopfen. Über kurz oder lang würde er allerdings einen neuen Käfer brauchen. Der hier hatte bloß noch vier Beine. Und wenn jemand genauer hinsah, konnte das schon gewaltige Probleme bereiten.
    Hastig band der Meisterdieb die toten Steinschlinger von seinen Stiefeln und Handschuhen los und verstaute sie zusammen mit dem Rumpelkäferkadaver in seinem Rucksack.
    Diebstahl bedeutete Investition. Da ließ sich nichts machen. Das war eines der ältesten Gesetze überhaupt.
    Aber das, was ihn am Ende dieses Raubzugs erwartete, war jeden erdenklichen Aufwand wert. Der große Borngroll. Der Kriegshammer des ersten Verwalters der Zwergenheit.
    Sicher, im Vergleich zum Undenkbaren war es kaum mehr als eine Fingerübung. Das Undenkbare wartete auf ihn am Grunde des Imperiums, am Ende des gemeinen Ganges, in der kryptischen Kammer. Niemand außer ihm würde es wagen, dorthin vorzudringen. Denn er war der letzte wahre Meisterdieb des Imperiums. Doch für die Herausforderung des Undenkbaren war er noch nicht bereit.
    Heute würde er erst einmal den großen Borngroll stehlen, das vielleicht bedeutendste „Nachschlagewerk“ der Zwergengeschichte. Hunderte Jahre hatte der Hammer als verschollen gegolten und war in Vergessenheit geraten, und nun hatte Nattergriff erfahren, wer ihn besaß: Khnarff Lehmstich, einer der drei Erzfürsten des Stahls, ein Sammler zwergischer Antiquitäten { * } , der in seiner Schließhöhle allerlei Schätze vom Anbeginn der Zeiten aufbewahrte. Er tauschte gutes Gold gegen altes Gerümpel und galt bei den meisten Zwergen als verrückt.
    Für einen Dieb wie Nattergriff aber war ein solcher Sammler vor allem praktisch. Man konnte bei ihm einen ganzen Haufen Zeug auf einmal mitnehmen. Wenn man erst einmal drin war.
    Und das war wiederum alles andere als einfach. Denn aufgrund seiner guten Verbindungen zum Großen Verwalter wurde Lehmstichs Schatzkammer nicht nur von der freien Felswehr bewacht, sondern war darüber hinaus mit einigen der besten bekannten Fallen gesichert.
    Aber Bragk Nattergriff hatte im Laufe seines Lebens beinahe jede bekannte Falle kennengelernt. Sein Körper war eine Bibliothek der Narben, und auf seine verbliebenen acht Finger achtete er beinahe genauso gut wie auf sein Gold. Beinahe. Der große Borngroll wäre ihm unter Umständen noch einmal zwei Finger wert gewesen. Oder zumindest einen…
    Nachdenklich betrachtete er seinen dreifingrigen rechten Handschuh, drehte dann die Sanduhr um, schulterte seinen
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