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Das 8. Gestaendnis

Das 8. Gestaendnis

Titel: Das 8. Gestaendnis
Autoren: James Patterson
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hielt den Atem an.
    Der Lumpenhaufen war in Wirklichkeit ein toter Mensch. Seine Kleider waren so voller Blut und sein Gesicht so von Schlägen entstellt, dass Cindy überhaupt nichts erkennen konnte.
    Sie fragte eine der Umstehenden. »Was ist denn da passiert? Wer ist das?«
    Die schwerfällige Frau besaß keine Zähne und war in sehr viele unterschiedliche Kleiderschichten gehüllt. Ihre Beine waren bis zu den Knien bandagiert, und ihre Nase war vom Weinen rosarot.
    Sie schaute Cindy von der Seite her an.
    »Das ist B-B-Bagman Jesus . Irgendjemand hat ihn umgebracht !«
    Cindy zückte ihr Smartphone, wählte die Notrufnummer, meldete einen Mord und wartete auf das Eintreffen der Polizei.
    Währenddessen sammelten sich immer mehr Obdachlose um sie herum.
    Das hier waren die Ungewaschenen, die Unerfassten, die Unbemerkten, die Menschen am Rand der Gesellschaft, die durch die Lücken im System schlüpften und dort lebten, wo das Meldeamt sich nicht hinwagte.
    Sie stanken und stammelten, sie zuckten und juckten sich und rückten Cindy immer dichter auf die Pelle. Sie streckten die Hände aus, wollten sie berühren, fielen sich gegenseitig ins Wort und verbesserten einander unablässig.
    Sie wollten gehört werden.
    Und obwohl Cindy noch vor einer halben Stunde jedem
Kontakt mit ihnen aus dem Weg gegangen wäre, wollte sie jetzt unbedingt jedes Wort hören, das sie zu sagen hatten. Die Zeit verging, und die Polizei tauchte nicht auf, aber Cindy spürte, wie da eine Geschichte anfing zu knospen und kurz davor war, Blüten zu treiben.
    Sie griff erneut nach ihrem Handy und rief ihre Freundin Lindsay zu Hause an.
    Es klingelte sechsmal, dann meldete sich eine heisere Männerstimme. »Hallo?« Hörte sich fast so an, als hätte sie Lindsay und Joe in einem ungünstigen Moment erwischt.
    »Tolles Timing, Cindy«, keuchte Joe.
    »Tut mir leid, Joe, ehrlich«, sagte Cindy. »Aber ich muss mit Lindsay sprechen.«

2
    »Nicht böse sein«, sagte ich, zog die Decke bis unter Joes Kinn, streichelte ihm über die stoppeligen Wangen und drückte ihm einen gerade noch jugendfreien Kuss auf den Mund. Ich wollte nicht, dass er Fahrt aufnahm, weil ich einfach nicht genügend Zeit hatte, um selbst noch mal in Stimmung zu kommen.
    »Ich bin dir nicht böse«, sagte er mit geschlossenen Augen. »Aber heute Abend verlange ich eine Entschädigung, also stell dich schon mal drauf ein.«
    Ich lachte und meinte: »Ehrlich gesagt kann ich’s kaum erwarten.«
    »Cindy ist kein guter Umgang für dich.«
    Ich lachte noch mehr.
    Cindy ist ein Pitbull im Schafspelz. Nach außen wirkt sie wie ein Bilderbuch-Girlie, ist aber gleichzeitig absolut unerbittlich. Genau so hat sie sich vor sechs Jahren Zutritt zu einem grausigen Tatort verschafft, an dem ich die Ermittlungen geführt habe, und dann hat sie so lange nicht lockergelassen, bis sie ihre Geschichte im Kasten und ich meinen Fall gelöst hatte. Ich wünschte, alle meine Cops wären wie Cindy.
    »Cindy ist klasse«, sagte ich zu meinem Geliebten. »Sie wächst dir bestimmt noch ans Herz, langsam, aber sicher.«
    »Ach ja? Dann muss ich dir das wohl glauben.« Joe grinste.
    »Liebling, würde es dir was ausmachen …?«
    »Mit Martha rauszugehen? Nein. Weil ich ja zu Hause arbeite und du einen richtigen Job hast.«
    »Danke, Joe«, sagte ich. »Und … kannst du das bald machen? Ich glaube nämlich, sie muss dringend mal.«
    Joe blickte mich ausdruckslos an, aber seine blauen Augen
sagten mir ganz genau, was los war. Ich warf ihm eine Kusshand zu und sprang unter die Dusche.
    Vor etlichen Monaten war mein schnuckeliges, kleines Apartment am Potrero Hill in Flammen aufgegangen - und ich hatte mich immer noch nicht daran gewöhnt, dass ich jetzt in Joes neuem Zuhause mitten im Bezirk der hohen Mieten wohnte.
    Nicht dass ich seine Duschkabine mit den Kacheln, den Doppel-Duschköpfen und dem kombinierten Gel-, Shampoound Feuchtigkeitscreme-Spender oder die Badetücher über der heizbaren Messinghalterung nicht zu schätzen wüsste.
    Ich meine, sicher: Es gibt Schlimmeres!
    Ich drehte das heiße Wasser auf und schäumte meine Haare ein, während ich an Cindys Anruf dachte. Warum hatte sie wohl so aufgeregt geklungen?
    Bis jetzt hatte ich noch nie den Eindruck gewonnen, als seien tote Penner eine übermäßig große Sensation. Aber Cindy hatte behauptet, dass es sich in diesem Fall um einen besonderen Penner mit einem besonderen Namen handelte. Und sie wollte, dass ich ihr einen Gefallen tat und mich in
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