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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4
Autoren: Clive Barker
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schön. Danke für den neuesten Stand. Halten Sie mich auf dem laufenden.«
    »Wollen Sie rüberkommen und sich die Überreste ansehn?«
    »Ich komm’ gut ohne Affenleichen aus, danke.«
    Johannson lachte. Carnegie legte den Hörer auf. Als er sich wieder zum Fenster wandte, war die Nacht voll und ganz hereingebrochen.
    Im Labor ging Johannson zum Lichtschalter neben der Tür; während seines Telefonats mit Carnegie hatte sich der letzte Rest Tageslicht verflüchtigt. Er sah den Hieb kommen, der ihn niederstreckte: nur einen Herzschlag vor dem Aufprall. Er traf ihn seitlich am Hals. Einer von Johannsons Wirbeln zerkrachte, und seine Beine knickten ein. Ohne den Lichtschalter erreicht zu haben, brach er zusammen. Aber als er auf den Boden aufschlug, war der Unterschied zwischen Tag und Nacht nur noch akademisch.
    Welles gab sich nicht damit ab, nachzuprüfen, ob sein Schlag tödlich gewesen war oder nicht; es war keine Zeit zu verlieren.
    Er stieg über den Körper und steuerte zu der Werkbank hinüber, an der Johannson eben noch gearbeitet hatte. Dort lag in einem Kreis aus Lampenlicht, wie zum Schlußakt einer Affentragödie, ein toter Affe. Er war offensichtlich in heller Aufregung verendet. Sein Gesicht war völlig verzerrt: das Maul weit offen und speichelbefleckt, die Augen in einem letzten Blick panischer Bestürzung erstarrt. Bei den Kopulationskämpfen war ihm das Fell büschelweise ausgerissen worden; sein vor Anstrengung ausgemergelter Körper bestand nur noch aus Quetschungen. Welles brauchte eine halbe Minute der Betrachtung, um seine Folgerungen aus dieser Leiche zu ziehen sowie aus zwei anderen, die er jetzt auf einer Werkbank in der Nähe liegen sah.
    »Liebe tötet«, murmelte er philosophisch vor sich hin und begann mit seiner systematischen Vernichtung von Blinder Junge.
    Ich sterbe, dachte Jerome, ich sterbe an unheilbarer Wonne.
    Der Gedanke amüsierte ihn. Es war der einzige Gedanke in seinem Kopf, der noch einen Sinn ergab. Seit seinem Zusammenstoß mit Isaiah und der anschließenden Flucht vor der Polizei konnte er sich kaum an irgend etwas Zusammenhängendes erinnern. Die Stunden, in denen er sich versteckte und seine Wunden versorgte – in denen er die Hitze neuerlich wachsen fühlte und sie dann wieder entlud –, waren längst in einem einzigen Hochsommertraum aufgegangen, aus dem ihn, und dies wußte er mit wohltuender Gewißheit, nur der Tod aufwecken würde. Die lodernde Flamme verzehrte ihn restlos, von den Eingeweiden her. Wenn man ihn jetzt ausweiden sollte, was würden die Zeugen finden? Nur letzte Funken und Asche.
    Doch noch immer verlangte sein einäugiger Freund nach mehr; noch immer, während er im Zickzack zurück zur Versuchsanstalt wanderte – wohin sonst sollte ein gemachter Mann, der langsam aus dem Leim ging, wenn nicht zurück zur ersten Glut? –, noch immer klafften ihm die Gitterroste verführerisch entgegen, und jede Ziegelwand bot hundert sandigrauhe Verlockungen.
    Die Nacht war lind: eine Nacht für Liebeslieder und Romantik. In der zweifelhaften Ungestörtheit eines Parkplatzes, ein paar Häuserblocks von seinem Ziel entfernt, sah er auf dem Rücksitz eines Wagens – die Türen offen, um Gliedern und Frischluft Raum zu schaffen – zwei Personen beim Sex. Jerome blieb stehen, um dem Ritual zuzuschauen, wie immer bezaubert von dem Körperknäuel und dem Geräusch – so laut wie Donner – von Zwillingsherzen, die im selben, immer schnelleren Rhythmus schlugen. Beim Zusehen wurde seine Rute ungeduldig.
    Die Frau sah ihn zuerst und machte ihren Partner auf das Wrack von menschlichem Wesen aufmerksam, das ihnen mit solch kindischem Entzücken zusah. Der Mann unterbrach seine Fummelei, drehte sich um und glotzte. Brenn’ ich? fragte sich Jerome. Lodern meine Haare? Nimmt am Ende die Einbildung Gestalt an? Nach dem Ausdruck in ihren Gesichtern zu urteilen, war die Antwort mit Sicherheit nein. Sie fürchteten sich nicht, waren bloß verärgert und abgestoßen.
    »Ich brenne«, sagte er zu ihnen.
    Der Mann richtete sich auf und spie Jerome an. Der erwartete fast, daß sich die Spucke in Dampf verwandeln würde, bevor sie ihn traf, aber statt dessen landete sie als kühlender Regen auf seinem Gesicht und seiner Brust.
    »Scher dich zum Teufel«, sagte die Frau. »Laß uns in Ruhe.«
    Jerome schüttelte den Kopf. Der Lover warnte ihn, daß er bei einem weiteren Schritt leider gezwungen sei, ihm den Schädel einzuschlagen. Das störte unseren Mann nicht im geringsten;
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