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Das 4. Buch des Blutes - 4

Das 4. Buch des Blutes - 4

Titel: Das 4. Buch des Blutes - 4
Autoren: Clive Barker
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Rinnstein zu verbinden. Die Vorstellung war so verlockend. Er wünschte es sich fast.
    Isaiah hatte schon früher gemordet, zweimal. Er kannte das wortlose Vokabular der Handlung, und er konnte die Aufforderung in den Augen seines Opfers lesen. Stets gern gefällig, kam er ihr entgegen, das Messer stoßbereit. Im letztmöglichen Moment widerrief Jerome und schleuderte, anstatt sich zum Aufschlitzen zu präsentieren, einen Hieb nach dem Riesen. Isaiah tauchte weg, um dem Schlag auszuweichen, und seine Füße rutschten in dem Matsch aus. Das Messer flutschte ihm aus der Hand und fiel mitten in das Kuddelmuddel aus Spankörben und Früchten. Jerome suchte das Weite, während der Jäger – seiner Überlegenheit beraubt –
    sich bückte, um das Messer ausfindig zu machen. Aber ehe seine tolpatschigen Finger es aufgestöbert hatten, war seine Beute weg, wieder verschwunden in den mit Menschen vollgepferchten Straßen. Er hatte keine Gelegenheit, das Messer einzustecken, bevor die Uniform aus der Menge heraustrat und sich in der heißen Passage zu ihm gesellte.
    »Was war’n damit?« wollte der Polizist wissen und sah dabei zu dem Messer hinunter. Isaiah folgte seinem Blick. Die blutbefleckte Klinge war schwarz vor Fliegen.
    Im Büro schlürfte Inspektor Carnegie seine heiße Schokolade, die dritte während der letzten Stunde, und schaute dem Werdegang der Abenddämmerung zu. Er hatte immer Kriminaler werden wollen, schon in seinen frühesten Erinnerungen; und in diesen Erinnerungen war die gegenwärtige Stunde schon immer bedeutungsschwanger und voller Magie. Die Nacht, die sich auf die Stadt senkt; unzählige Übel, die sich in Schale schmeißen und zum Spielen herauskommen. Eine Zeit, die Wachsamkeit erforderte und eine neue moralische Strenge.
    Aber als Kind hatte er sich einfach die Erschöpfung nicht vorstellen können, die die Dämmerung stets mit sich brachte.
    Er war zum Umfallen müde; und wenn er in den nächsten paar Stunden überhaupt etwas Schlaf ergatterte, dann allenfalls hier, in seinem Sessel, die Füße auf dem Schreibtisch, inmitten eines Durcheinanders von Plastiktassen.
    Das Telefon läutete. Es war Johannson.
    »Noch bei der Arbeit?« fragte Carnegie, beeindruckt von Johannsons Hingabe an den Job. Es war längst neun vorbei.
    Vielleicht hatte Johannson auch kein richtiges Zuhause, das das Heimgehen lohnte.
    »Hab’ gehört, unser Mann hatte heut ’n volles Programm«, sagte Johannson.
    »Ganz recht. Eine Prostituierte in Soho; und dann selber ’n Messerstich abgekriegt.«
    »Er ist wohl irgendwo durch die Absperrkette gelangt, oder?«

    »So was kommt vor«, antwortete Carnegie, zu müde, um gereizt zu sein. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Hab’ nur gedacht, daß Sie’s vielleicht interessiert: Die Affen fangen an einzugehen.«
    Die Worte rüttelten Carnegie aus seiner Ermüdungsstarre.
    »Wie viele?« fragte er.
    »Drei von vierzehn bis jetzt. Aber bis morgen früh sind auch die übrigen hin, schätz’ ich.«
    »Was bringt sie um? Erschöpfung?« Carnegie rief sich die verzweifelten Saturnalien ins Gedächtnis, die er in den Käfigen gesehen hatte. Welches Tier – ob menschlich oder nicht –
    konnte so einen Rummel aushalten, ohne kaputtzugehen?
    »Es ist nicht physisch bedingt«, sagte Johannson. »Oder zumindest nicht in dem Sinne, den Sie voraussetzen. Wir müssen die Sektionsergebnisse abwarten, erst dann läßt sich Genaueres sagen…«
    »Was tippen Sie?«
    »Ganz einfach…«, sagte Johannson, »… was eigentlich mehr als genug ist: Ich glaube, sie zerkrachen.«
    »Was?«
    »Irgendeine Art zerebraler Überbeanspruchung. Ihr Hirn bricht einfach zusammen. Der Wirkstoff wird nicht abgebaut, wissen Sie; er regeneriert sich aus sich selber. Je erregter sie werden, desto mehr Droge wird produziert; je mehr Droge vorhanden ist, desto erregter werden sie. Es ist ein Teufelskreis. Immer heißer, immer wilder. Schließlich kann’s der Organismus nicht mehr verkraften, und plötzlich steck’ ich bis über beide Ellbogen in toten Affen.« Jetzt schwang wieder das Lächeln in der Stimme mit, kalt und sarkastisch. »Nicht daß die andern sich dadurch ihren Spaß verderben lassen.
    Nekrophilie ist der letzte Schrei hier herüben.«

    Carnegie guckte seine kalt werdende heiße Schokolade an; eine dünne Haut hatte sich gebildet, die sich runzelte, als er die Tasse berührte. »Also isses nur ’ne Frage der Zeit?« sagte er.
    »Bis unser Mann in die Brüche geht? Ja, ich denk’ schon.«
    »Na
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