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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3
Autoren: Clive Barker
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fühlte sich köstlich an auf seinem Gesicht. An allen Seiten spreizte er noch ein paar Pflöcke mehr unter dem Stein ein, um ihn weiter aus seiner Verankerung zu lösen: er würde die Oberhand gewinnen über das Ding. Wart nur, sagte er, wart nur. Der dritte Pflock ging tiefer hinein als die ersten beiden, und er schien eine Gasblase unter dem Stein anzustechen, eine gelbliche Wolke, die so pestartig roch, daß er von dem Loch wegtrat, um etwas reinere Luft einzuatmen. Es war keine vorhanden. Er konnte lediglich einen Batzen Schleim ausräuspern, um Hals und Lunge freizuräumen. Was auch unter dem Stein war - und in dem Gestank lag etwas Animalisches -, es war jedenfalls sehr verfault.
    Er zwang sich wieder zur Arbeit hinunter, holte dabei keuchend durch den Mund Luft, nicht durch die Nasenlöcher. Der Kopf wurde ihm zu eng, als ob sein Gehirn anschwölle und gegen die Schädeldecke drückte, darauf drängte, herausgelassen zu werden.
    »Du leck mich, du«, sagte er und schlug noch einen Pflock unter den Stein. Sein Kreuz fühlte sich an, als ob es gleich brechen würde. An seiner rechten Hand war eine Blase geplatzt. Eine Bremse saß auf seinem Arm und tat sich gütlich, unzerquetscht.
    »Mach schon. Mach schon. Mach schon.« Er schlug den letzten Pflock hinein, ohne zu wissen, daß er es tat.
    Und dann fing der Stein zu schlingern an.
    Er berührte ihn nicht einmal. Der Stein wurde von unten aus seinem Halt geschoben. Er griff nach seinem Spaten, der noch immer unter dem Stein festgeklemmt war. Plötzlich entwickelte er ein Besitzgefühl dafür; das war seiner, ein Teil von ihm, und er wollte ihn nicht in der Nähe von dem Loch haben. Nicht jetzt; nicht bei dem Geschaukel, das der Stein vollführte, als hätte er einen Geysir unter sich, der gleich losblasen würde.
    Nicht bei der gelben Luft und seinem Hirn, das anschwoll wie ein Kürbis im August.
    Fest zog er an seinem Spaten. Der rührte sich nicht.
    Er verfluchte ihn und zerrte nun mit beiden Händen, hielt dabei eine Armlänge Abstand vom Loch. Die stärker werdende Bewegung des Steins schleuderte in rauhen Mengen Erdreich, Asseln und Kiesel herauf.
    Er stemmte sich wieder gegen den Spaten, aber der wollte sich einfach nicht lockern. Thomas machte keine Pause, um über die Situation nachzudenken. Hundeelend war ihm von der Arbeit, er wollte einzig und allein den Spaten, seinen Spaten, aus dem Loch bekommen und dann, auf Teufel komm raus, weg von hier.
    Der Stein ruckte und wackelte, wollte aber den Spaten noch immer nicht loslassen. Thomas war es zur fixen Idee geworden, daß er ihn haben mußte, bevor er gehen konnte. Erst wenn er ihn wieder in Händen hielt, heil und unversehrt, würde er seiner inneren Stimme folgen und abhauen.
    Unter seinen Füßen begann der Boden zu bersten. Als wäre er federleicht, rollte der Stein weg von der Grabstätte. Eine zweite Gaswolke, noch widerwärtiger als die erste, diente ihm dabei anscheinend als Treibsatz. Gleichzeitig kam der Spaten aus dem Loch, und Thomas sah, was ihn gepackt hielt.
    Plötzlich verstand er die Welt nicht mehr.
    Da war eine Hand, eine lebende Hand, die sich an den Spaten klammerte, eine Hand, so breit, daß sie das Blatt mit Leichtigkeit umfassen konnte.
    Thomas war die Konstellation wohlbekannt: die aufbrechende Erde, die Hand, der Gestank. Er kannte sie aus irgendeinem Alptraum, von dem er auf dem Knie seines Vaters gehört hatte.
    Jetzt hätte er den Spaten gern losgelassen, aber seine Willenskraft reichte dazu nicht mehr aus. Alles, was er tun konnte, war, eine Art unterirdischen Befehl zu befolgen, zu ziehen und zu zerren, bis seine Bänder rissen, seine Sehnen bluteten.
    Unter der dünnen Erdkruste roch Rohkopf den Himmel. Es war purer Äther für seine abgestumpften Sinne, speiübel wurde ihm dabei vor Freude. Königreiche zur Besitzergreifung, bloß eine Handbreit entfernt. Nach so vielen Jahren, nach der endlosen Erstickung, war wieder Licht auf seinen Augen und der Geschmack menschlichen Entsetzens auf seiner Zunge.
    Sein Kopf brach sich jetzt Bahn, das schwarze Haar durchflochten von Würmern, die Kopfhaut übersät von winzigen roten Spinnen. Hunderte von Jahren hatten sie ihn irritiert, diese Spinnen, sich bis aufs Mark in ihn hineingewühlt, und er sehnte sich danach, sie zu zerquetschen. Zieh, zieh! Er zwang dem Menschenwesen seinen Willen auf, und Thomas Garrow zog, bis sein bedauernswerter Körper keinerlei Kraft mehr besaß, und Zentimeter um Zentimeter wurde Rohkopf aus seinem
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