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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3
Autoren: Clive Barker
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Grab, einem Leichentuch beschwörender Gebete, herausgehievt.
    Der drückende Stein, der so lange auf ihm gelastet hatte, war entfernt worden, und mühelos zog er sich jetzt selber hoch, streifte dabei die Graberde ab wie eine Schlange ihre Haut. Sein Rumpf war frei. Schultern, zweimal so breit wie die eines Mannes; magere, zerschrammte Arme, stärker als menschliche. Seine Glieder pumpten sich voll Blut wie die Flügel eines geschlüpften Schmetterlings, von Auferstehung durchsaftet.
    Rhythmisch zerkrallten seine langen, tödlichen Finger den Boden, während ihre Kraft zurückkehrte.
    Thomas Garrow stand bloß da und sah zu. In ihm war nichts als Ehrfurcht. Angst war für jene, die noch eine Überlebenschance hatten. Er hatte keine.
    Rohkopf war zur Gänze aus seinem Grab gestiegen. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten begann er sich aufzurichten.
    Klumpen feuchten Erdreichs fielen von seinem Rumpf, als er sich zu seiner vollen Größe emporreckte, einen knappen Meter über Garrows einsachtzig.
    Thomas Garrow stand in Rohkopfs Schatten und hielt den Blick noch immer auf das gähnende Loch geheftet, aus dem sich der König erhoben hatte. Mit der rechten Hand umklammerte er noch immer seinen Spaten. Rohkopf hob ihn an den Haaren hoch. Die Kopfhaut riß unter dem Gewicht des Körpers, also packte Rohkopf Garrow um den Hals, den seine Gigantenhand mühelos umschloß.
    Blut von seiner Kopfhaut lief Garrow übers Gesicht, und die Empfindung rüttelte ihn wach. Der Tod stand unmittelbar bevor, und er wußte es. Er schaute zu seinen Beinen hinab, die sinnlos unter ihm herumstrampelten, dann schaute er auf und starrte direkt in Rohkopfs mitleidloses Gesicht.
    Es war riesig, wie der Herbstmond, riesig und bernsteinfarben.
    Aber dieser Mond hatte Augen, die in seinem bleichen narbenübersäten Gesicht brannten. In jeder Hinsicht glichen sie Wunden, diese Augen, als hätte sie jemand ins Fleisch von Rohkopfs Gesicht gestanzt und dann zwei Kerzen hineingestellt, die in den Löchern flackerten.
    Garrow war überwältigt von der ungeheuerlichen Größe dieses Mondes. Er ließ den Blick von Auge zu Auge schweifen, und dann zu den nassen Schlitzen, die seine Nase waren, und schließlich, in kindlichem Entsetzen, hinunter zum Mund.
    Gott, dieser Mund, er war so breit, so höhlenartig tiefliegend, daß er den Kopf in zwei Teile zu spalten schien, als er sich öffnete. Das war Thomas Garrows letzter Gedanke. Daß der Mond sich in zwei Teile spaltete und aus dem Himmel auf ihn herabstürzte.
    Dann drehte der König den Körper um, wie er es schon immer mit seinen getöteten Feinden gemacht hatte, und trieb ihn mit dem Kopf voran in das Loch, schraubte ihn in ebenjenes Grab hinunter, in dem Thomas’ Vorfahren Rohkopf auf ewig hatten versenken wollen.
    Bis das Gewitter so richtig über Zeal losbrach, war der König eineinhalb Kilometer vom Drei-Morgen-Feld entfernt und hatte in der Scheune von Nicholson Zuflucht gesucht. Im Dorf ging, Regen hin oder her, jeder seinen Geschäften nach. Selig, die nicht wissen. Es gab weder eine Kassandra unter ihnen, noch hatte »Ihre Zukunft in den Sternen« in der dieswöchigen Gazette auch nur andeutungsweise den plötzlichen Tod erwähnt, der in den nächsten Tagen einen Zwilling, drei Löwen, einen Schützen und ein kleineres Sternensystem weiterer Personen ereilen sollte.
    Mit dem Donner war der Regen gekommen, in dicken kühlen Tropfen, die sich rasch zu einem Guß von monsunartiger Heftigkeit auswuchsen. Erst als die Rinnsteine Sturzbäche wurden, fingen die Leute an, Schutz zu suchen.
    Auf der Baustelle saß der Bagger, der eben noch Ronnie Miltons Garten in groben Zügen landschaftlich gestaltet hatte, untätig im Regen und ließ die zweite Ganzwäsche innerhalb von zwei Tagen über sich ergehen. Für den Fahrer war der Regenguß ein willkommenes Signal gewesen, sich in die Baracke zurückzuziehen und dort über Pferderennen und Weiber zu reden.
    Im Eingang des Post Office sahen drei der Dorfbewohner zu, wie sich die Gullys verstopften, und meckerten, daß das bei jedem Regen passierte und daß sich in einer halben Stunde in der Senke am niedrigsten Punkt der Hauptstraße ein Wassertümpel gebildet hätte, so tief, daß man mit dem Segelboot darauf fahren könnte.
    Und in der Senke selber, in der Sakristei von St. Peter, sah Declan Ewan, der Küster, zu, wie der Regen in gierigen Flüßchen den Hügel herunterstürmte und sich draußen vor der Sakristeipforte zu einem kleinen See sammelte. Bald
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