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Das 3. Buch Des Blutes - 3

Das 3. Buch Des Blutes - 3

Titel: Das 3. Buch Des Blutes - 3
Autoren: Clive Barker
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ihm immer das Gefühl, schwach und lächerlich zu sein. Aber dieses Wesen war stolz auf seine Tränen, es sonnte sich in ihnen. Sie waren sein Triumph.
    Und selbst als Gavin erkannte, daß es ihn überholt hatte, fand er in seinem Inneren nichts, was an Kummer herangereicht hätte.
    »Nur zu«, sagte er. »Kannst den Rotz ruhig haben. Nichts dagegen.«
    Das Geschöpf hörte kaum hin. »Warum ist das alles so schmerzhaft?« fragte es nach einer Pause. »Warum ist es ausgerechnet der Verlust, der mich menschlich macht?«
    Gavin zuckte mit den Achseln. Was wußte er davon, was machte er sich aus der hohen Kunst des Menschlichseins ?
    Das Geschöpf wischte sich die Nase am Ärmel ab, schniefte und versuchte, trotz seines Elends zu lächeln. »Tut mir leid«, sagte es, »ich mach’ mich verdammt lächerlich. Bitte verzeih’ mir.«
    Es holte tief Luft und versuchte, sich zu fassen.
    »Schon okay«, sagte Gavin. Die Darbietung brachte ihn in Verlegenheit, und er war froh, daß er ohnehin im Begriff war zu gehen. »Deine Blumen?« fragte er, als er sich vom Grab abwandte.
    Es nickte.
    »Blumen waren ihm zuwider.«
    Das Wesen fuhr zusammen. »Ach.«
    »Trotzdem, was kriegt er schon mit?«
    Er sah das Bildnis nicht einmal mehr an; drehte sich einfach um und begann, den neben der Kirche verlaufenden Weg entlangzustapfen.
    Nach ein paar Metern rief das Wesen ihm hinterher: »Weißt du
    ‘n guten Zahnarzt?«
    Gavin grinste und marschierte unbeirrt weiter.
    Es war unmittelbar vor der Rush-hour. Über die an der Kirche vorbeiführende Durchgangsstraße raste bereits dichter Pendlerverkehr; vielleicht war heute Freitag, frühe Ausreißer auf hastiger Heimfahrt. Blendend helle Lichter flammten auf, Hupen plärrten.
    Ohne nach rechts oder links zu schauen, begab sich Gavin direkt in den Strom, ignorierte dabei das Kreischen der Bremsen sowie die Verwünschungen und schritt inmitten des Verkehrs voran, als streifte er ziellos auf freiem Feld umher.
    Der Kotflügel eines auf vollen Touren dahinrasenden Wagens schrammte beim Vorbeifahren sein Bein, ein anderes Auto stieß beinah mit ihm zusammen. Ihre Versessenheit, irgendwohin zu gelangen, an einem Ort anzukommen, von dem sie sich mit derselben nervösen Ungeduld sofort wieder wegwünschen würden, war zu komisch. Sollten sie doch gegen ihn wüten, ihn verabscheuen, sollten sie doch sein gesichtsloses Antlitz erblicken und verstört nach Hause hetzen. Wenn die Umstände es erlaubten, würde womöglich einer von ihnen in Panik geraten, ausscheren und ihn über den Ha ufen fahren.
    Was auch immer. Von jetzt an gehörte er dem Zufall - als dessen künftiger Standartenträger.
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