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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Autoren: Juergen Neffe
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unzählige Male gehört haben. Ein Befehl gilt erst als verstanden, wenn er klar und deutlich wiederholt worden ist. Doch Yuriy kann es Khokhlov nicht recht machen. Wenn der nicht augenblicklich sein Echo vernimmt, und zwar in der Weise, wie er es hören will, brüllt er los. Alle an Bord können die Reifeprüfung über ihre Walkie-Talkies mitverfolgen. Wie der eine verzweifelt versucht, alles den erlernten Vorschriften gemäß richtig zu machen, und wie es ihm immer wieder auf Ukrainisch aus dem Gerät entgegenbellt. In der Muttersprache flucht es sich leichter.
    Vermutlich hat Yuriy die Offiziersschule mit Bestnoten abgeschlossen. Aber die eigentliche Schule ist hier. Beim Ankern auf stürmischer See. Und wie er ankern kann, der Kapitän. Präzise auf den Punkt, so wie Fahrkünstler einzuparken verstehen. Er steht draußen auf der Brücke, schaut aufs aufgepeitschte Wasser und schreit seine Anordnungen in den Äther: »Stop engine!« - »Stop engine!«, kommt es prompt von der Maschine zurück.
    Eine Weile bleibt das Ringen zwischen Lehrer und Schüler auf der
Kippe. Dann zeigen die Schläge Wirkung. Mehr und mehr findet der Jüngere seinen eigenen Ton, brüllt den Männern seine Anordnungen zu - exakt so, wie sie es gewöhnt sind und wie sie es unter diesen Bedingungen auch brauchen: nicht als nachgebetete Worte des anderen, sondern als Befehle aus eigener Kraft.
    Jetzt rollt die zweite Ankerkette unten genauso ab, wie es der Kapitän oben will. Das schwere Schiff kann sich sicher im Meeresboden verhaken. Aus dem Funkgerät gleiten in sanftem Bass runde, russisch klingende Worte. Yuriy steht der Schrecken noch im Gesicht. Aber er hat bestanden. Denn er hat verstanden. Das zeichnet einen guten Schüler wohl aus. Und einen guten Lehrer erst recht.
    Am nächsten Morgen hat sich das Wetter beruhigt. Die Anker werden eingeholt, die Maschine wird gestartet. Sieben Kolben setzen sich in Bewegung, das Herz der Aliança Pampas schlägt. Wir fahren das kleine Stück Richtung Westen vorbei an der Pinguininsel in den Sund von Puerto Deseado. Ich sitze allein in der Offiziersmesse. Da kommt Yuriy, frisch geduscht und rasiert und in Freizeitkleidung, und setzt sich mir gegenüber an den Tisch. Er wirkt verändert, trotz der Spuren von Anspannung irgendwie gelöst.
    »Ich habe nachgedacht.« Er schaut mich aus seinen blauen Augen geradewegs an. In den letzten Tagen bin ich für ihn zu einer Art Vertrauensperson auf Zeit geworden. Wem sollte er sich auch sonst öffnen? Erwachsenwerden ist ein ziemlich einsames Geschäft. »Mir bleiben genau zwei Möglichkeiten: Entweder ich halte das hier durch, oder ich gebe auf. Dazwischen gibt es nichts.«
    Genau darauf kommt es an. Du musst bestimmen, wie viel vom Buch deines Lebens du selber schreiben willst. Und kannst. Davon hängt alles Weitere ab. Die Entscheidung kann dir niemand abnehmen. Meistens gibt es einen einzigen Moment, in dem sie fällt - oder nicht. Zweiundzwanzig Jahre sind kein schlechtes Alter dafür, die Welt zu umarmen. Darwin versteht das genau. Als ihm sein künftiger Kapitän die Route zeigt, ist seine Stunde gekommen.
    Ich weiß, wie sich das anfühlt. Jede Fahrt beginnt mit der ersten Idee. Die Karte im Kopf, sie will sich mit Leben füllen. Das Werk aus dürren Strichen verlangt nach Bildern. Plötzlich weiß man, was man zu tun hat. Wenn es stimmt, dass auch Reisen eine Reife durchlaufen, dann hat in diesem Moment das Abenteuer des Lebens begonnen.

1
    England und Nordatlantik

    Warten in Plymouth · Seekrank · Verhinderte Landung in Teneriffa · Der Sammler · Vor den Kapverden
     
     
    Es war keine leichte Geburt. Allein die Wehen zogen sich über mehr als acht Wochen hin. Darwin hat ihre Phasen sorgfältig dokumentiert. Am 24. Oktober 1831 beginnt er in Devonport, dem Marinehafen von Plymouth, sein Reisetagebuch: Nach angenehmer Fahrt von London abends hier angekommen . So banal beginnen die aufregendsten Abenteuer. Das Schreiben bietet ihm während der folgenden fünf Jahre - so lange dauert die Reise schließlich - Halt und Heimat für seine Gedanken.
    Tags darauf geht er zum ersten Mal an Bord der Beagle. Einige Wochen zuvor hat er sie noch im Dock gesehen, wo sie mehr einem Wrack glich als einem Schiff mit dem Auftrag, die Welt zu umsegeln . Jetzt empfängt sie ihn in einem Zustand von Geschäftigkeit und Durcheinander. Überall wird gesägt und gehämmert, geputzt und gestrichen. Kapitän FitzRoy hat eine Totalrenovierung des einstmaligen Küstenfrachters
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