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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Autoren: Juergen Neffe
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er sich aller Schelte zum Trotz auf nichts ein, was nicht seinem Herzen entspricht. Mit der Sicherheit einer üppigen Erbschaft im Rücken kann er sich das auch leisten. Und im Nachhinein behält er recht damit, in stiller Sturheit auf seine Gelegenheit gewartet zu haben. Als ruhiger Rebell und schwarzes Schaf, das sich zeitlebens seinem Erzeuger beweisen muss, erfüllt er alle Voraussetzungen für einen außergewöhnlichen Lebensweg.
     
    Auf der Aliança Pampas kann ich in der Person des Dritten Offiziers das Gegenmodell in Augenschein nehmen - den Jungen, der seinem Vater auf dessen eigenem Gebiet nacheifern will. Yuriy Kovalchuk wäre nicht der Erste, der daran scheitert. Draußen, auf der Brücke
nach Steuerbord, hat er in der Milde der Nacht von seiner Freundin daheim in der Ukraine gesprochen und dabei geschluckt. Das wird er sich abgewöhnen müssen, wenn er einmal Zehntausende Tonnen unter sich haben will und eine Mannschaft, die er heil in den nächsten Hafen bringen muss. Beim ersten heftigen Unwetter vor ein paar Monaten, gesteht er kleinmütig, habe er sich ernsthaft gefragt, ob das wirklich das Richtige für ihn sei, das Seemannsleben.
    Wir werden sehen, wie Darwin sich bei der ersten ernsten Herausforderung ebenfalls mit Selbstzweifeln plagen wird. Doch zunächst setzt er alles daran, um den Platz auf der Beagle zu bekommen. Er trifft sich in London mit Kapitän FitzRoy. Die beiden jungen Männer verstehen sich auf Anhieb - keineswegs selbstverständlich für zwei, die den entgegengesetzten Enden des politischen Spektrums zuneigen. Darwin, in der Whig-Tradition einer unitaristisch orientierten Familie aufgewachsen, steht aufseiten der Liberalen. Der durch und durch aristrokatische Robert FitzRoy, ein illegitimer Nachfahre König Charles’ II., engagiert sich für die Gegenseite, die bis heute unter der Bezeichnung Tories bekannt ist. Eines verbindet die beiden zu diesem Zeitpunkt allerdings noch: der anglikanisch geprägte Glaube an Gott und die Schöpfung.
    In seiner ungezwungenen Arglosigkeit lässt Darwin erst gar keine Zweifel daran aufkommen, der Richtige zu sein - selbst als FitzRoy mit physiognomischem Kennerblick kurz die Eignung des Jüngeren wegen der Form seiner Nase in Frage stellt. Der Kapitän ist wahrscheinlich einfach froh, auf einen so umgänglichen, ambitionierten jungen Mann aus gutem Hause und mit tadellosen Manieren zu stoßen. Er gibt dem anderen die erhoffte Zusage. Die beiden schließen für die Zeit ihrer Reise einen bisweilen brüchigen Pakt. Danach entwickeln sie sich rasch auseinander und werden zu erbitterten Gegnern.
    Mit Yuriy und seinem Kapitän könnte die Sache, wenn alles gut geht, genau umgekehrt verlaufen. Petro Khokhlov, groß und bullig, mit flinken Blicken aus engen Schlitzen, stellt dar, was man einen mit allen Wassern getauften Seebären nennt. Wenn er lacht, dann tut er es mit seinem ganzen Körper. Aber wenn er wütend aufbraust und sein cholerisches Blut zur Ader lässt, dann reichen halbe Silben und knappe Gesten, dass jeder seine Ansagen versteht und widerspruchslos befolgt.
    Noch sind die beiden einander nicht grün, wobei klar ist, wer den
Ton angibt bei diesem ungleichen Paar. Am Morgen nach der goldenen Nacht haben sich der Himmel und die Miene des Masters verfinstert. Mittags befanden wir uns ein Stück südlich von Port Desire - das heutige Puerto Deseado . Vor dem schwarz verhangenen Horizont zeichnet sich kaum wahrnehmbar der Schattenriss der kleinen patagonischen Hafenstadt in die Regenschwaden. Damals gab es hier noch keine Siedlung. Es blies weiterhin frisch, und verstärkte sich in der Mitte des Tages zum heftigsten Sturm, den ich je gesehen habe. Bei dem Orkan kann das Schiff nicht einlaufen. Wir müssen hier draußen vor Anker gehen und ruhigeres Wetter abwarten.
    Yuriy steht in schwerer Montur auf dem Vordeck. Er versucht zu verbergen, dass er friert und leidet. Zu seinem Unglück und gleichzeitig zu seinem Glück hat sich ihm mit dem raubeinigen, manchmal auch finster polternden Khokhlov eine echte Prüfung in den Lebensweg gestellt. Der weiß, dass Yuriy noch schwankt, und will ihm die Entscheidung erleichtern. Durch Härte.
    Als Dritter Offizier muss Yuriy die Befehle zum Ankern auf Englisch an die Mannschaft weitergeben und sie gleichzeitig gegen das Tosen des Sturms per Funkgerät an den Kapitän auf der Brücke zurückschreien. »Give up chain!?« - »Give up chain!« So machen es Seeleute schon seit alten Tagen. Darwin muss das
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