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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Autoren: Juergen Neffe
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wissen wir, was die Welt des Lebendigen im Innersten zusammenhält: ihre Geschichte. Als Begründer eines neuen Weltbilds steht er im Rang eines Kopernikus.
    Doch die narzisstische Kränkung, die Darwin der Menschheit zugefügt hat, reicht tiefer als der Verlust unserer zentralen Stellung im kopernikanischen Kosmos: Indem Darwin uns den Tieren zurechnet, raubt er uns den Sonderstatus, nach dem Vorbild des Schöpfers erschaffen worden zu sein. Das hat ihn wie keinen anderen Wissenschaftler zur Reizfigur gemacht - und seine Lehre anfällig für vielfältigen Missbrauch. Bibeltreue Kreationisten sehen in ihm den Antichrist und rufen zum heiligen Krieg gegen die Evolutionstheorie auf. Nationalisten, Rassisten und Eugeniker beschwören ihn, wenn sie den besseren Menschen propagieren. Sein Schlagwort vom Überleben des Tauglichsten, dem Survival of the fittest , ist zur Kampfparole kompromissloser Sozialdarwinisten geworden, die einer gnadenlosen Konkurrenz- und Ellenbogengesellschaft das Wort reden.
    Andrerseits steht Evolution, die mit Darwins Namen verbunden ist wie das Kreuz mit Jesus, am Anfang der Weltformel des Lebens. Darwins wissenschaftliche Erben haben sie so weit entschlüsselt, dass wir inzwischen mit Geburtenkontrolle, Retortenbabys und gentechnisch veränderten Organismen die Evolution in die eigenen Hände genommen haben. Gleichzeitig sind wir selbst zum größten Evolutionsfaktor geworden. Wir haben unseren Heimatplaneten durch Überbevölkerung, Ressourcenausbeutung und Artenzerstörung an die Grenzen seiner Belastbarkeit gebracht. Als äußerst erfolgreiche Spezies besitzen wir sogar die Mittel, uns - vorsätzlich - selbst auszulöschen.
    Noch lange bleibe ich im Museum vor der Karte unserer Erde stehen, auf der sich die Kontinente und Küsten nur in ihren Konturen zeigen, und folge dem dünnen Strich des Beagle-Kurses. Kanaren, Kapverden, Rio, Montevideo, Buenos Aires, Pampa und Patagonien, Feuerland und die Falklandinseln, die Gegend um Kap Hoorn, Beagle-Kanal und Magellanstraße, die Küste Chiles, Anden und Atacama, Galápagos und Tahiti, Neuseeland, Australien und Tasmanien, die Cocos-Inseln, Mauritius und nach einem kurzen Stopp in Kapstadt die kleinen Eilande St. Helena und Ascension.
    Namen, mit denen wir etwas verbinden, erzeugen innere Bilder.
Deshalb unternehmen wir jede Reise, ob wir wollen oder nicht, schon vor dem Aufbruch immer wieder in unserer Vorstellung. Vor dem geistigen Auge tauchen Silhouetten auf, Straßen und Städte, Menschen mit unterschiedlichen Gesichtern, Gewohnheiten, Lebensweisen. Wir sehen Inseln vor uns und Strände, Buchten, Berge, Täler, Flüsse, ganze Landschaften mit Gebirgen, Ebenen, Wäldern, exotischen Pflanzen und fremden Tieren.
    Da erging es Darwin mit Sicherheit nicht anders als mir. So wie ich ihm folge, fügte er sich den Vorgaben der englischen Admiralität. Jeder Ort, den ich auf Darwins Spuren erreiche, ist am 11. November 1831 vom Geographical Office der königlichen Marine in dessen Anforderungskatalog für die Beagle-Expedition exakt festgelegt worden.
    Eine festgelegte Route engt ein, schafft aber auch eine Art von Stabilität. Die Einschränkung der äußeren vergrößert die innere Freiheit, den vorgegebenen Rahmen mit eigenen Inhalten zu füllen. Die beste Art des Reisens ist daher das Reisen mit einem Zweck oder einem vorgegebenen Thema. Sollte mich jemand um Rat fragen, bevor er eine lange Reise unternimmt , schreibt Darwin, als er am Ende seiner fünfjährigen Exkursion Bilanz zieht, würde meine Antwort davon abhängen, ob er eine ausgeprägte Neigung für einen Wissenszweig besitzt, welche dadurch gefördert werden könnte. So wie Darwin sich ein Bild von der Welt gemacht hat, um daraus ein radikal neues Weltbild zu entwerfen, so bin ich aufgebrochen, um mir ein Bild von seiner Welt zu machen und es an unserer heutigen zu messen.
     
    Oben auf der Brücke, drei Treppen über meiner Kabine, stehen die Offiziere zusammen und schauen schweigend in die anbrechende Nacht. Es herrscht eine Art Stille, wie sie nur die Männerwelt kennt. Fern im Westen, wo kurz zuvor die Sonne versunken ist, blinken vereinzelt Lichter vom Festland herüber. Der Mondschein bricht sich im Spiel der Wellen. Die Sterne haben ihr maßloses Zelt aufgeschlagen.
    Das ist so eine Stunde, in der Heim- und Fernweh zusammenprallen, in der auch die härtesten Kerle in sich versinken oder mit sanftem Tenor, bevor sie wehmütig werden, mächtige Bilder im nächtlichen Himmel lesen:
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