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Darwin - Das Abenteuer Des Lebens

Titel: Darwin - Das Abenteuer Des Lebens
Autoren: Juergen Neffe
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von den Meeren, die sie befahren, weil es irgendwo an Rindfleisch fehlt, an Tintenfisch oder Garnelen; von den Häfen, die sie anlaufen, und den Mädchen, die in kein Märchen passen wollen; von
den Herren, denen sie dienen, ohne sie zu kennen; vom fernen Zuhause irgendwo in dieser großartigen Trostlosigkeit, ihren Frauen und Kindern, der studierenden Tochter, dem krabbelnden Enkel, vom Gemüsegarten hinterm Haus, das sie gerade abbezahlen, von den Plänen für die Zeit nach dem Reisen, an die sie selbst nicht so recht glauben.
    Schau dich niemals um. Das ist die erste Regel aller Reisenden. Was geschehen ist und getan, das hat die Zeit für immer verfestigt. Schau nach vorn, dorthin, wo dein Wille noch wirken kann. Stell dich der Zukunft, den Herausforderungen der Stunde, deines Lebens, wenn sie an der Reihe sind.
     
    Der Tag, an den sich Darwin vor der Küste Patagoniens in seinem Tagebuch so lebhaft erinnert, ist der 29. August 1831, wenige Monate vor dem großen Aufbruch. Beseelt von seinen Erlebnissen, kehrt er am Ende einer mehrtägigen Wanderung durch das nördliche Wales in sein Elternhaus in Shrewsbury zurück, einer aufgeräumten Kleinstadt nahe der englisch-walisischen Grenzlinie. Sein Geburtshaus, »The Mount«, steht in seiner schlichten Architektur noch so da wie damals - wie gemacht für die Abteilung der Finanzbehörde, die inzwischen darin Platz gefunden hat. Dort erwartet ihn ein Brief, wie man ihn nur einmal im Leben bekommt. Plötzlich verlangt ihm das Schicksal etwas ab, mit dem es ihn bis dahin weitgehend verschont hat: eine Entscheidung.
    Bis zu dieser Stunde hat Darwin sein Dasein ziemlich ungezwungen und leichtlebig auf Kosten seines Vaters vertrödelt. Ein vergnügter Nichtsnutz, der keinem etwas zuleide tut, außer den Tieren, die er als begeisterter Jäger und guter Schütze in großer Zahl erlegt. Er hat noch nicht einen Penny durch Arbeit verdient, die Schule eher lustlos hinter sich gebracht, das Medizinstudium in Edinburgh nach vier Semestern geschmissen und die zwei Jahre Theologie in Cambridge allenfalls halbherzig erledigt.
    Aber dort hat er Alexander von Humboldt gelesen, und seitdem hat er einen Traum: Er will auf dessen Spuren nach Teneriffa fahren. Nur deshalb hat er begonnen, Spanisch zu lernen. Nur deshalb hat er sich einen Inklinometer aus London kommen lassen und das Mobiliar in seinem Zimmer ein ums andere Mal anders schräg gestapelt, um mit dem Gerät die Neigungsgrade zu vermessen, als seien es Gesteinsschichten. Und nur deshalb hat er soeben seine geologische Exkursion
durch Nordwales beendet, die er dank seiner Verbindungen gemeinsam mit Adam Sedgwick, einem der wichtigsten Erdkundler seiner Zeit, unternehmen durfte.
    Ohne das Vorbild Humboldts wäre aus Darwin vermutlich ein Kirchenmann geworden, der in Oxford oder Cambridge als Professor sein Auskommen gefunden und seinen mehr oder weniger beachtlichen Beitrag zur Naturforschung geleistet hätte. Ohne die Abenteuer und Schriften des Deutschen gäbe es nicht das Jahrhundertbuch des Briten über Die Entstehung der Arten , das er achtundzwanzig Jahre später mit den Worten beginnt: Als ich mich als Naturforscher an Bord des ›Beagle‹ befand, war ich aufs höchste überrascht durch gewisse Merkwürdigkeiten in der Verbreitung der Tiere und Pflanzen Südamerikas sowie durch die geologischen Beziehungen der gegenwärtigen Bewohner dieses Erdteils zu den früheren .
    Für die Chance, die sich nun bietet, sind Darwins frisch erworbene Kenntnisse, besonders die in der Geologie, kaum zu überschätzen. Der Brief kommt aus Cambridge, geschrieben von seinem Mentor, dem vormaligen Geologie- und jetzigen Botanikprofessor John Henslow. Der hatte ihm die Grundlagen der Pflanzenkunde nähergebracht und dabei seine außergewöhnlichen Talente erkannt: Neugier, Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, in großen Zusammenhängen zu denken. Dabei schloss er ihn so sehr ins Herz, dass seine Kollegen bereits über Darwin flüsterten: »Der Mann, der mit Henslow spazieren geht.«
    Das Anliegen in dem Brief scheint äußerst dringend. »Man hat mich gebeten«, lautet der entscheidende Satz, »einen Naturforscher als Begleiter von Kapitän FitzRoy zu empfehlen, den die Regierung beauftragt hat, den äußersten Süden von Amerika zu vermessen.« Der Schiffsführer werde beileibe nicht jeden akzeptieren, nur einen echten Gentleman, den er sich mehr als Gefährten denn als reinen Sammler von Steinen und Knochen, Pflanzen und Tieren
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