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Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)

Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)

Titel: Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
Autoren: Lynn Viehl
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alles irgendein Spiel war, das sie in ihrem Unterbewusstsein mit sich selbst spielte und in dem sie den Grünen Mann als surrealen Liebhaber erfunden hatte. Bei dem Gedanken seufzte sie innerlich.
    Zumindest ist er nicht aus Gold .
    »Ich könnte mich umsehen«, bot sie an. »Wenn ich ihn finde, diesen Ort, dieses Gebäude, finde ich dich dann auch?«
    Er wandte den Blick von ihr ab. Ich bin verloren .
    »Ja, das sagtest du schon.« Sie setzte sich auf den Rand eines zerbrochenen Steins, der die Größe eines Sessels hatte. Der Marmor fühlte sich kalt und glatt unter ihren Händen an. Darunter, wusste sie, hatte jemand einen alten Mann und eine alte Frau begraben, die in irgendeinem vergessenen Krieg getötet worden waren. Vielleicht war dieses Gefühl ja wechselseitig .
    »Weißt du, wo ich bin? Kannst du zu mir kommen?«
    Nur hier, im Nachtland . Er streckte die Hand nach ihr aus, zog sich jedoch in die Schatten zurück, bis man nur noch das Leuchten seiner Augen sah. Komm zu mir , ma bien-aimée. Komm jetzt zu mir .
    Schmetterlinge und Motten flogen um Nick herum auf, als sie sich von dem Stein erhob. Der Traum veränderte sich, die Farben wurden dunkler und verschmolzen zu einer schwarzen Leere, in der nichts sie leiten konnte. Sie bewegte sich gleichgültig hindurch und suchte nach der Wärme, die der Grüne Mann bedeutete, bis sie langfingrige Hände spürte, die ihre Schultern umfassten, und starke Arme, die sich um sie legten.
    In Sicherheit.
    Ich bin hier. Du bist hier. Wir sind nicht allein. Wir träumen. Wir leben. Wir werden uns eines Tages finden.
    Sie presste sich an ihn, so überwältigt von dem Körperkontakt, dass sie nicht sprechen konnte, nichts tun konnte, außer in seiner Umarmung zu stehen. So mit ihm zusammen zu sein, ließ sie alles andere vergessen. Es war lächerlich; alles, was sie miteinander teilten, war ein Traum. Sie wusste, dass er nur ein Traum war.
    Immer weiter.
    Nick hielt sich trotzdem an ihm fest und legte die Wange an sein Herz, während seine Hand über ihr lockiges Haar strich.
    Der Grüne Mann stieß sie weg, als heißes Licht ihre Augen erfüllte, und der Boden zwischen ihnen zusammenbrach. Nick fiel nach hinten und erschauderte, als die Erde in zwei tiefen, gezackten Gräben verschwand. Käfer und Schaben krochen aus dem größten Loch und waberten über den gesamten Boden, bis es so aussah, als würde dieser sich bewegen.
    Immer wachsam.
    Der Grüne Mann starrte auf Nicks Hände. Was hast du getan?
    Eine Ratte mit einem kurzen weißen Stock zwischen den langen gelben Zähnen kam auf sie zugelaufen. Wie ein Hündchen legte sie den Stock vor Nicks Füßen ab. Sie bückte sich danach, und ihre Hand war jetzt schwarz von Erde und Blut, ihre Fingernägel abgebrochen und rau. Sie hielt erst inne, als sie den einfachen Goldring ein Stück über dem abgenagten Ende glänzen sah.
    Nie erinnern.
    Nick wachte auf und weinte wie immer.
    »Zu schwach, um zu entkommen«, sagte eine Stimme in der Dunkelheit, »und zu stark, um zu sterben.«
    Als er in seinem neuen Raum in der Hölle aufwachte, bewegte sich der Gefangene nicht. Reaktionen waren genau wie Gefühle ebenso bedeutungslos wie nutzlos geworden. Er machte sich nicht mehr die Mühe, sich innerlich zu wappnen oder zusammenzuzucken; auf das zu warten, was passieren würde, kostete ihn seine gesamte Selbstbeherrschung.
    Viel war Gabriel Seran angetan worden.
    Und sie würden ihm noch mehr antun, doch er würde es aushalten. Fähigkeiten, die er während mehrerer Jahrhunderte seiner Existenz erworben hatte, ließen ihn das überleben, was ihn während seines kurzen menschlichen Lebens schon tausende Male getötet hätte. Sie hatten ihn auch diese letzten zwei Jahre als Gefangener der Bruderschaft überstehen lassen. Durch sein Talent war sein Körper nicht schwächer geworden, und seine Seele, von denen seine Geiselnehmer nicht glaubten, dass er sie besaß, hatte für den Rest gesorgt.
    Was seinen Verstand anging, war er nicht sicher. Er hatte Gefühle gegen den Willen zum Überleben eingetauscht und fühlte jetzt kaum noch etwas – abgesehen von Schmerz. Er war zu einem Gletscher geworden, umgeben von gefoltertem Fleisch.
    Vielleicht verdankte er sein Leben einem Phantom. Als er an sie dachte, diese Erfindung seiner eigenen verzweifelten Einsamkeit, sah er ihr Bild vor sich: ein blasses, blondes Mädchen, das im Wald herumirrte. Was sie suchte, wusste Gabriel nicht; und er hatte sie außerhalb seiner Träume auch noch nie gesehen.
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