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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love
Autoren: Lia Habel
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Bildmaterial befreit worden waren, aber NVMS gehörte nicht dazu.
    Woher ich das wusste?
    Weil ich einem dunklen, sehr undamenhaften Laster frönte: Ich liebte es, mir ungeschnittene Nachrichtenbeiträge und Dokumentarhologramme über Kriege anzusehen.
    Das hatte ich mit meinem Vater gemein.
    »Wie das Militär heute Morgen mitteilte, formieren sich die Streitkräfte der Punks nach Augenzeugenberichten an den Grenzen zu Brasilien und Bolivien. Trotz eines energischen Offensivschlages seitens unserer Truppen scheint sich ihre Anzahl noch zu erhöhen, was von Experten mit Sorge betrachtet wird. Dies alles folgt auf den terroristischen Bombenanschlag auf die Kleinstadt Shaftesbury am 15.   Dezember.«
    Meine Schultern hoben sich, während ich verwirrt weiter zusah. Shaftesbury war ein ländlicher viktorianischer Weiler in Ecuador. Meines Wissens nach lebten dort insgesamt nicht mehr als zweihundert Menschen. Warum sollten sie ausgerechnet dort angreifen, wenn es ihnen bereits gelungen war, so weit in unser Hoheitsgebiet vorzudringen? Warum hatten sie sich kein bedeutenderes Ziel ausgesucht?
    Der Bildschirm vor meinen Augen leuchtete und zeigte eine Übersichtskarte des Gefechts sowie verwackelte und merkwürdig verlangsamte Amateuraufnahmen der Straßenschlacht zwischen den Punks und der Miliz der Stadtbevölkerung. Trotz ihrer politischen Einstellung und all des Blutes, das Tag für Tag an der Grenze vergossen wurde, konnte ich nicht anders, als den Kampfgeist der Punks zu bewundern. Sie trugen wahllos geflickte und verlotterte Kleidung, ihre Maschinerie war ungesichert und primitiv – doch diese Lumpensammler aus der Wüste warfen sich mit wildem Gebrüll in den Kampf und gehorchten keinen Regeln. Sie versteckten sich im Wasser, in den Bäumen. Sie schienen Kriegsgerät aus dem Nichts erschaffen zu können – Panzer, die sich auf gigantischen Metallbeinen aus verrosteten Zugteilen fortbewegten, Bomben hergestellt aus Schrott, den man um alles gewickelt hatte, was explodieren konnte.
    Es war faszinierend. Es war seltsam aufregend. Es war definitiv nichts, was ein Mädchen interessieren sollte.
    Es war meine Lieblingsdroge.
    Dieses Mal jedoch schienen die Punks keinem Angriffsplan zu folgen. Sie griffen einfach alles an, was sich bewegte. Sie agierten nicht wie Männer im Einsatz.
    Sie waren vollkommen außer sich.
    Entsetzt sah ich zu, wie sie die viktorianischen Dorfbewohner in den Nahkampf verwickelten. Tatsächlich schien es, als ob nur wenige von ihnen überhaupt bewaffnet waren. Sie stürzten sich einfach hinein, um sich schlagend und hemmungslos. Ein Mann versuchte sogar, einen anderen zu beißen. Sämtliche Dorfbewohner eröffneten das Feuer, doch nur wenige der Punks fielen. Die anderen rannten einfach weiter direkt auf die Miliz zu.
    Die Übertragung wechselte zu Bildern, die die Situation an der Grenze zeigten. Die Angriffe der Punks folgten auch hier demselben Prinzip, sie warfen sich und alles, was sie hatten, gegen unsere Streitkräfte. Noch nie hatte ich derart viele Punksoldaten in einer Schlacht gesehen. Ich sah, wie selbstgebaute Bomben in unmittelbarer Nähe ihrer eigenen Reihen hochgingen und in weitem Bogen brennende Granatsplitter spuckten – das war, noch untertrieben gesagt, einfach dumm. Und ich hatte sie früher schon für wild gehalten. Noch nie hatte ich sie so verbissen kämpfen sehen.
    »Was macht euch so wütend?«, murmelte ich leise.
    Die übrigen Nachrichtenbeiträge gaben nicht viel mehr her. Die allgemeine Meinung besagte, wir müssten ihnen nur mal wieder eine ordentliche Tracht Prügel erteilen und sie dann zurück in ihr Territorium schicken, wo sie darüber nachdenken konnten, was sie getan hatten. Es gab keine Diskussion darüber, warum die Punks plötzlich ihre Angriffe verstärkten oder was sie damit erreichen wollten.
    Ich lehnte mich zurück und legte mir die Hand in den Nacken. Das war merkwürdig. Sehr merkwürdig. Der Bildschirm wurde schwarz, da er nicht mehr benutzt wurde, und im matten Schein der Kabinenlampe starrte ich hinab auf mein eigenes Spiegelbild.
    Ich verachte mein Gesicht und ich glaube nicht, dass sich daran jemals etwas ändern wird. Meine Züge sind so niedlich, so kindlich, dass ich manchmal fürchte, nie wie eine erwachsene Frau auszusehen, obwohl ich schon beinahe siebzehn bin. Ich habe blasse Haut, braune Augen und schwarze Haare, die mir auf die hochgezogenen Schultern fallen und sich immer wieder zu dicken Locken zusammenrollen, obwohl ich
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