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Dark Love

Dark Love

Titel: Dark Love
Autoren: Lia Habel
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oder? Ich bekomme Gänsehaut bei der Vorstellung, was jemand mit diesen Infos so alles anstellen könnte. Mein Vater sagt, dass sogar die Daten der Lesegeräte, an denen man vorbeikommt, gespeichert werden, damit sie immer wissen, wo du gerade bist.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich glaube das alles erst, wenn einer der Ayles öffentlich erklärt, dass es wahr ist. Bis dahin muss ich mir um andere Dinge Gedanken machen.« Ich schlug die Beine übereinander und beugte mich über mein Notizbuch.
    Pamela nickte und sah sich wieder das Programm an. Nach ein paar Sekunden fragte sie: »Sprichst du noch manchmal mit Lord Ayles?«
    Ich blickte weiter auf das Buch. »Nein. Zuletzt auf der Beerdigung.«
    Pam beließ es dabei. Ich zog mich in meine Gedanken zurück und zwang mich zum Schreiben. Als ich wieder aufblickte, hatte das Geräusch der sich drehenden Kutschräder Pam bereits eingelullt und sie schlief.
    Ich nutzte die Stille und kritzelte meinen Abschlussaufsatz in der Kurzschrift hin, die Salvez mir beigebracht hatte. Dafür, dass ich mich so lange davor gedrückt hatte, war die Sache eigentlich recht schnell erledigt – wie eine Spritze beim Arzt. Ich lieferte meiner Geschichtslehrerin das, was ich bisher jedem Lehrer abgeliefert hatte, der mir im Laufe meiner Schulzeit dieses Thema zugeteilt hatte. Um ehrlich zu sein, waren bisher auch nur ein oder zwei Lehrer wirklich interessiert daran, was ich zu sagen hatte. Die meisten kümmerten sich mehr um meine Schönschrift.
    »Wir sind die Kinder eines neuen goldenen Zeitalters« , begann ich. »Feuer und Eis haben die Welt verheert, doch uns gibt es immer noch. Unser Volk hat sich entschlossen zu überleben.«

Vor zweihundert Jahren war die Welt ein schrecklicher Ort.
    Eine Serie furchtbarer Ereignisse brach damals über die Menschheit herein. Die Pole der Erde verschwanden ein weiteres Mal unter einem dicken, tödlichen Panzer aus Eis, und die Winter wurden für immer mehr Nationen hart und lang.
    Der schiere Überlebenstrieb zwang gewaltige Menschenmassen dazu, in die neu entstandenen gemäßigten Zonen entlang des Äquators zu ziehen. Vernichtende Stürme wischten ganze Länder vom Angesicht der Erde. Kuba, Indonesien, England, Indien. Verschwunden.
    Die ganze Welt litt, doch mir kommt es so vor, als ob der amerikanische Kontinent mehr als nur seinen gerechten Teil der Katastrophe abbekommen hätte. Flüchtlinge aus Kanada brachten einen neuen Erregerstamm von Influenzaviren mit sich, der ein Viertel aller Infizierten tötete. Darauf folgten zuerst eine Hungersnot, dann der Ausbruch des zweiten amerikanischen Bürgerkriegs und schließlich die nukleare Zerstörung.
    Niemand gewann diesen Krieg. Die Vereinigten Staaten existierten nicht mehr. Die Überlebenden lebten, wo immer sie konnten, und schlossen sich zu neuen Stämmen zusammen, unabhängig von Rasse und sozialer oder geografischer Herkunft.
    Doch das Schlimmste sollte erst noch kommen.
    Der Ausbruch des Supervulkans unter dem Yellowstone war es, der die Vereinigten Staaten schließlich vollends entvölkerte. In einem letzten verzweifelten Versuch zu überleben, verbündeten sich einige der stärksten Stämme und beschlossen, nach Süden vorzustoßen. Das waren meine Vorfahren.
    Die Ahnen meines Volkes waren eine wild zusammengewürfelte Gruppe. Zu ihnen gehörten die letzten Überlebenden des amerikanischen und kanadischen Militärs. Dazu mischten sich Angehörige einiger streng religiöser Volksgruppen, deren Frauen lange Röcke trugen und deren Kinder ihr Wissen aus längst vergessenen Büchern schöpften. Auch Mitglieder der mexikanischen Miliz schlossen sich ihnen an. Überlebenskünstler, zähe Frauen und Männer, die noch immer die Fahnen ihrer längst untergegangenen Heimatländer schwangen. Im Grunde all jene, die es geschafft hatten zu leben.
    Meine Ahnen brachen von dort auf, wo einmal die USA und Mexiko gewesen waren, und wie einst das Heer des Dschingis Khan fielen sie in Zentralamerika ein. Ich kann das nicht verurteilen – sonst gäbe es mich schließlich heute nicht. Dschingis Kahn wird im Allgemeinen als böse abgestempelt, aber er war zweifellos auch der größte Anführer, den die Welt je gesehen hat. Er einte die halbe bekannte Welt, indem er seinen besiegten Feinden erlaubte, seinem Heer beizutreten und am Beutezug teilzuhaben. Meine Vorfahren taten in etwa dasselbe und gaben jenen Menschen, die sie unterworfen hatten, die Gelegenheit, sich ihnen anzuschließen, während sie weiter
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