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Darf ich meine Oma selbst verbrennen?

Darf ich meine Oma selbst verbrennen?

Titel: Darf ich meine Oma selbst verbrennen?
Autoren: Peter Wilhelm
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ich mach die immer groß. Sicher, das dauert ein paar Jahre, aber wenn man die schön in Humuserde setzt und immer düngt, dann wachsen die wie’s Lottchen.«
    »Ist aber nicht Sinn der Sache, da könnten Sie ja auch ganz normale junge Bäume holen und großziehen.«
    »Mir geht es aber um die armen kleinen Japaner. Die tun mir so leid, diese kleinen Krüppelbäumchen. Nee, nee, da können Sie sagen, was sie wollen, ich kaufe weiterhin Bonsais und mach die groß.«

Die Dreizehner-Leiche
    Es ist schon dunkel draußen – es wird ja früh dunkel um diese Jahreszeit –, und im Büro ist es gemütlich warm. Das heißt, wenn ich ehrlich bin, schwitze ich wie ein Torero, der des Stieres Horn im Hinterteil stecken hat, es ist nicht nur warm, es ist brütend heiß. »Is’ schön gemütlich!«, kräht Antonia, und Sandy läuft ebenfalls an meinem Büro vorbei, barfuß natürlich, und schließt sich unserem Dickerchen an: »Ja, richtig schön angenehm!« Und im Schlepptau folgt ihnen Frau Büser, die zwar eine dicke Strickjacke trägt, es aber immer »noch ein kleines bisschen kühl findet, nicht mehr ganz so kalt wie gestern, aber immer noch nicht so richtig schön warm«.
    Ich lehne mich in meinem Sessel zurück und seufze schicksalsergeben. Und während ich mich so zurücklehne, fällt mein Blick nach oben … und was sehe ich da? Kondenswasser sammelt sich an meiner Decke in dicken Tropfen wie in einem Gewächshaus mit tropischen Pflanzen.
    Es ist die kalte Jahreszeit, und das bedeutet, dass wir Männer hier in der Firma gebrüht, gesotten und getrocknet werden, während der weibliche Teil der Belegschaft und Familie ständig friert.
    Aber das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen. Eigentlich geht es um etwas ganz anderes.
    Es klingelt nämlich an der Tür, und weil ich die Hoffnung hege, beim Öffnen der Tür etwas Frischluft abzubekommen, beeile ich mich und bin als Erster dort. Draußen steht eine ältere Dame und fragt: »Sie sind doch ein Bestattungshaus, oder?«
    »Also, ich bin Bestatter, und das hier ist das Bestattungshaus.«
    »Na prima, meine Schwester ist tot.«
    Und wie Tausende Male zuvor zu anderen Leuten, sage ich auch zu dieser Dame: »Bitte kommen Sie doch herein«, trete an die Seite, und während die kleine, zierliche Frau, die ein bisschen aussieht wie Inge Meysel, eintritt, sehe ich, dass draußen vor der Tür ein Wagen steht, in dem jemand auf dem Beifahrersitz sitzt.
    »Ist das Ihr Auto?«, frage ich »Frau Meysel« und deute auf den feuerwehrroten B-Kadett. Die Dame nickt und fragt: »Wieso? Darf der da nicht stehen? Dann fahre ich ihn schnell weg.«
    »Nein, das ist es nicht, da können Sie parken, aber wollen Sie Ihre Begleitung nicht auch hereinbitten, es ist doch schon ziemlich kühl draußen.«
    »Nö, das macht der nix aus,
der
nicht!«
    Gut, ich lasse es dabei bewenden und führe die Dame zum Beratungszimmer. Auf dem Weg dorthin kommt mir Frau Büser entgegen und fragt im Flüsterton: »Da sitzt doch noch jemand im Auto, wollen wir den nicht hereinbitten?«
    Ich schüttele nur kurz den Kopf und sage: »Das geht schon in Ordnung.«
    So sitze ich also schon eine ganze Weile mit »Frau Meysel«, die in Wirklichkeit Frau Schöngruber heißt, im Gespräch, und wir haben schon so ziemlich alles wegen der Erdbestattung ihrer Schwester besprochen, da klopft es kurz, Frau Büser tritt halb ein und sagt: »Tschuldigung, falls ich störe, Chef, da ist was mit dem Dreizehner.«
    Keiner bei uns weiß, was ein Dreizehner ist, es könnte durchaus ein 13-Millimeter-Schraubenschlüssel sein, aber das spielt auch überhaupt keine Rolle. »Der Dreizehner« ist nur ein verabredetes Codewort für »Kommen Sie sofort mit, auf der Stelle, jetzt, unverzüglich!«. Wir haben mehrere solche Ausdrücke, die Kunden müssen ja nicht alles mitbekommen. Frage ich zum Beispiel im Beisein eines Fremden nach einem bestimmten Mitarbeiter, und derjenige befindet sich gerade auf der Toilette, dann lautet die Antwort immer, dass derjenige »in Abteilung siebzehn« ist. Kunden, die noch nie in einem Kaufhaus gearbeitet haben, wo solche Kürzel auch gebräuchlich sind, ahnen nicht, worüber wir uns unterhalten.
    Aber jetzt ist niemand »auf siebzehn«, sondern es stimmt was mit dem »Dreizehner« nicht, also entschuldige ich mich kurz bei Frau Schöngruber und folge Frau Büser. Die ist ganz aufgeregt und zieht mich hinter sich her ins Weiberbüro schräg gegenüber: »Chef, das glauben Sie nicht!«
    »Was glaube ich
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