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Daraus lassen sich ein paar Erzählungen machen

Daraus lassen sich ein paar Erzählungen machen

Titel: Daraus lassen sich ein paar Erzählungen machen
Autoren: Taras Prochasko
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Bedingungen Geld zu verdienen denkbar schlecht waren, schwer genug verdient. Die Bauarbeiten hatten noch nicht begonnen, als man bereits den Widerstand der Eigentümerin des Nachbarhauses überwinden mußte, denn sie war gewohnt, daß ihr Haus das letzte in der Reihe war.
    Die gesamte Baudokumentation mußte auf Polnisch erfolgen. An den Bauarbeiten aber waren die unterschiedlichsten Leute beteiligt: Stadtbewohner und Dorfbewohner, Ukrainer, Polen, Juden. So sah die Stadt damals aus. An einem Ende, die Hauptstraße entlang bis zu deren Anfang, stand eine dicht verbaute Häuserzeile, überall sonst waren Einöde, Gärten und einstöckige, fast dörfliche Häuschen. So sah die Stadt aus. Jedenfalls bekam das Haus eine Nummer, die sich seitdem nicht geändert hat (die Häuserzeile war also wirklich dicht verbaut gewesen). Damals wurde ebenso schnell gebaut wie erst seit kurzem wieder, und Ende 1938 bezogen die Eigentümer ihr eigenes Haus.
    Ein knappes Jahr später veränderte sich die Welt grundlegend. Die neue Macht erkannte noch einige der alten Eigentumsrechte an, wenn auch parallel zu den eigenen. Heute kann man es sich kaum vorstellen, aber in diesen Jahren waren verschiedene polnische Formulare und Stempel in Umlauf.
    Einundvierzig gingen Menschen unter den Balkonen dieses Hauses vorbei zu den geöffneten Kellern des NKWD, in denen die Erschossenen waren, der Ukrainische Staat wurde ausgerufen, rumänische Untereinheiten zogen durch die Straße, LKWs mit ermordeten Juden fuhren vorbei, sie waren nicht von Planen bedeckt. Die Bewohner des Hauses sahen aus den Fenstern und erkannten Bekannte wieder, unter den einen wie unter den anderen. Es fehlte an Kohle zum Heizen, die Patienten gingen zu den in ihren Wohnungen praktizierenden Ärzten (Zahnärzte und Hebammen braucht man auch in den Weltkriegsjahren) und bezahlten mit Lebensmitteln. Bald begannen die Bombardierungen. Die gemauerten Keller dienten als Bunker, die Menschen ritzten Datum und Uhrzeit der im Keller überstandenen Angriffe in die Mauern. Die Chronik konnte nur deswegen zu Ende geführt werden, weil das Haus nie richtig getroffen wurde.
    Gleich danach kam eine Truppe. Natürlich der Stab einer Truppe. Sie besetzten ein ganzes Stockwerk, unterschrieben aber noch während des Krieges einen Mietvertrag. Bereits auf Russisch. Schließlich ging der Krieg zu Ende, der Stab wurde versetzt, und das Haus ging ins Eigentum des neuen Staates über. Viele Male schlugen Soldaten und Offiziere der in der Stadt einquartierten Streitkräfte auf der Suche nach einer Bleibe mit den Kolben ihrer Gewehre gegen die Wohnungstüren. Wenig später aber übernahmen Zivilisten die Macht, jene, die sich im Hinterland aufgehalten hatten. Es war ihre Idee gewesen, die Funktionäre in separaten Zimmern unterzubringen, was die Anzahl der Wohnungen auf ein Maximum hinauftrieb. Sogar Souterrainwohnungen, das Zimmer des Hausmeisters, der Laden und die Wäscherei wurden zu Wohnungen gemacht. Jene, die das Haus hatten erbauen lassen, mußten sich mit einer einzigen Wohnung begnügen. Sie wurden vom Geheimdienst aufgesucht und ins Gefängnis gesteckt. Ein paar Nächte brannten Bücher und Zeitungen besonderer Art in den Öfen. Mehr als zehn Jahre vergingen, bis die hier einquartierten sowjetischen Arbeiter bessere Wohnungen fanden und aus ihren Zimmern im Haus auszogen. Zurück blieben die, denen sie die freigewordenen Zimmer überließen.
    Schließlich kam es zu einer Stabilisierung. Das Haus selbst verfiel langsam, aber die Zahl der darin Geborenen erreichte allmählich die Zahl der Verstorbenen. Die Nachbarn wurden gute Nachbarn. Die Mieten wurden regelmäßig gezahlt. Die Kunden des größten Spirituosenladens der Stadt, der sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand, pinkelten in die Hauseinfahrt. Ein Hochhaus versperrte den Blick auf die Berge. Wer sich nicht gedulden konnte, baute seinen Ofen aus. Vor staatlichen Feiertagen gingen die betrunkenen Handwerker der örtlichen Wohnungsbehörde durch die Wohnungen und befestigten Fahnen und Transparente an den Balkons, unter denen am nächsten Tag die Paraden und Aufmärsche stattfanden. In der Werkstatt im Erdgeschoß wurde allerlei Kleinkram repariert, der von Anfang an dazu bestimmt war, sofort repariert zu werden. Ein paar Wohnungen gelangten auf die Listen des unionsweiten Wohnungstausches.
    Auf einmal wurde in einer der Wohnungen ein genossenschaftliches Café eröffnet. Auf einmal kamen andere Aufmärsche vorbei. Auf
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