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Daraus lassen sich ein paar Erzählungen machen

Daraus lassen sich ein paar Erzählungen machen

Titel: Daraus lassen sich ein paar Erzählungen machen
Autoren: Taras Prochasko
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und ging, sie hinterließ einen Haufen Schalen, darauf eine ganze, nicht von der harten Schale befreite Nußhälfte. Wir gingen lange mit T. spazieren, M. und B. schoben abwechselnd den Kinderwagen. Die heutigen Kinderwagen haben deutlich schlechtere Räder als der, den ihr hattet, sagte ich. L. war zu Hause geblieben, um sich auf ihr Seminar am nächsten Tag vorzubereiten. Ein sehr gutes Seminar, aber nur wenige Studenten hatten sich dazu angemeldet. Ich wollte mir den Vortrag anhören, damit sich herumspricht, daß Leute dafür extra aus Iwano-Frankiwsk anreisen. J. änderte Stimme und Intonation und kündigte an, daß nun eine Reihe von Lehrexkursionen durch Lemberg für M. und B. beginnen. Er sprach über den Bezirk Lytschakiw, wo wir uns gerade befanden. Wir betrachteten die kleinen Häuser, die es bald nicht mehr geben sollte. Diese Burschen – J. zeigte auf eine kampflustige Gruppe Halbwüchsiger – hätten echte Lemberger Hooligans werden können, hätte es nicht diese unwiederbringlichen Veränderungen gegeben. Wir gingen zum Kaiserwald. Ringsum ein sonderbares Dickicht aus verschiedenen Blumen, Gräsern und Obstbäumen, dahinter waren Häuser zu sehen. An einigen der schönsten Stellen entdeckten wir die abscheulichen Paläste der Neureichen. Trotz allem macht sich Wacholder neben Treppen und Mauern gut, bemerkte B. schon zum zweiten Mal. Später standen wir am Rand der riesigen Podolischen Platte und schauten auf Lemberg, Roztocze und das Land entlang dem Bug. Die Wolken über uns bewegten sich als Schatten irgendwo in der Ferne zwischen den Hochhäusern. Wenn man von hier aus schaut, bemerkt man, daß es sehr wenige solcher Häuser gibt. Und dieser Wald mitten in der Stadt ist dem Wienerwald sehr ähnlich. Hier habe ich mit T. den ganzen Sommer verbracht, sagte J. Ich betrachtete ihn, und er wurde unterdessen sehr braun. Noch so klein und schon am Meer gewesen, unsere Bekannten waren begeistert. Und wirklich, vor ein paar Millionen Jahren war hier ein Meer. Leise, ihr weckt das Kind auf, schrie eine Polin ihren schweigsamen Kollegen zu. In jenem Sommer waren im Naturschutzpark Snesinnja neue Häuser dazugekommen. Weiter, am Saremba-Krankenhaus vorbei, folgten wir der ehemaligen Kurkow Straße (auch eine schöne Geschichte) bis zur vierten, dritten, zweiten und schließlich ersten Verteidigungslinie von Lemberg. Eine ältere Frau mit einem Schleier aus Gardinenstoff spaziert über den Marktplatz, sie bildet sich ein, jung, schön und eine Braut zu sein. Die Zentrumssäufer grüßen sie, ohne sich lustig zu machen. »Wenn man etwas erkennen will, muß man sich schon ein bißchen Mühe geben«, sagt eine Fremdenführerin vor der Boim-Kapelle zu ihrer russischen Gruppe. Eine polnische Touristin ersteht ein kitschiges Bildchen von der Kathedrale. Ihre Freundinnen sind begeistert. Jeden Moment kann der Kardinal aus dem Torbogen treten. Dann kommen die Häuser im Kiewer Stil, sie wurden wider den gesunden Menschenverstand über den archäologischen Fundstellen errichtet. Dann – das Kloster, das Juri Andruchowytsch in einem Gedicht einmal so schön beschrieben hat. Wieso mußten alle Lemberger Gewässer zerstört werden, fragte M. Gemeinsam mit J. war er noch zu der Stelle gegangen, wo die Poltwa wieder ans Tageslicht kommt. B. und ich lasen in der Zeitung, was uns auf dem Buchforum erwartete, das demnächst stattfinden würde. Beide merkten wir, daß wir dieselben Erwartungen hatten wie der Journalist. Außerdem warten wir auf das Buch von Sofijka, sagte B. (Der Erzählband Alte Leute von Sofia Andruchowytsch, T. P.) Allen Erziehungsgrundsätzen zum Trotz fuhren wir am Abend noch weit aus der Stadt hinaus, um den Mars, der sich erst in vielen Jahren wieder so schön zeigen würde, durch ein richtiges Teleskop zu betrachten, und den geliebten Mond, den man unbedingt durch ein Fernrohr gesehen haben muß. Die Hütte mit dem Teleskop stand, einem Geschütz der Küstenartillerie ähnlich, mitten im Wald versteckt, unter dem Sternenhimmel in der herbstlich-nächtlichen Kälte. Und du bist froh, da zu sein. Das ist eigentlich alles (auf dem Weg zum Teleskop mußten wir noch eines Mannes wegen anhalten, der von einem Auto angefahren worden war). Ich kann nicht behaupten, daß diese Fragmente außergewöhnlich sind, daß man sich an sie erinnern sollte. Aber ich weiß, daß es der tschechische Schriftsteller Bohumil Hrabal, von dem ich erzählen wollte, genauso gemacht hat. Sein Talent lag in der Fähigkeit, das
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