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Daraus lassen sich ein paar Erzählungen machen

Daraus lassen sich ein paar Erzählungen machen

Titel: Daraus lassen sich ein paar Erzählungen machen
Autoren: Taras Prochasko
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Feindes wußten. Zu diesem Stützpunkt fuhren auf den Gleisen jenseits des Gartens seltsame Züge, getarnt als Personenzüge, die Gardinen an allen Fenstern vorgezogen.
    Außerdem sehe ich den Turm einer alten Kirche, die in allen Verzeichnissen von Architekturdenkmälern auftaucht, Reste eines Friedhofs und die Dächer einiger mehrstöckiger Holzvillen im Zakopaner Stil. All das sind Überreste jenes Städtchens, das während des zweiten der beiden Weltkriege zu existieren aufhörte. Den geringsten Schaden haben in diesem Krieg die Pfade davongetragen, die ich ebenfalls sehe. Auf diesen Pfaden kamen jene, die sich im Wald versteckt hielten, und jene, die Jagd auf sie machten. Betrachtet man die Pfade, weiß man genau, wie sich diese verschiedenen Menschen auf ihnen bewegt haben. Daneben gab es noch andere Menschen, die allen Launen der Geschichte zum Trotz zu den Salzbrunnen gingen, die so nah in einem der Gräben liegen, daß sie nicht zu sehen sind.
    Natürlich sehe ich in erster Linie Bäume. Viele verschiedene Bäume, langsam verändern sie die Aussicht. Ihretwegen ist der Hintergrund auf den Fotos aus mehreren Jahrzehnten so unterschiedlich. Natürlich sehe ich in erster Linie Gras, das unverändert auf jedem Stückchen freien Bodens wächst, auf dem passiert ist, was ich unweigerlich sehe, wenn ich mich zum Kaffeetrinken auf die Stufen setze. Manchmal kann ich ihn nicht einmal in Ruhe zu Ende trinken, denn das Gras verbirgt nichts.
    10
    Schon vor langer Zeit habe ich versucht zu erzählen, was ich für diesen Menschen empfinde, indem ich beschrieb, wie ich von seinem Tod erfuhr, denn das war genau so, wie er lebte, wie er schrieb, was er schrieb und schließlich auch, wie er starb.
    Mit der Zeit erfuhr ich noch mehr über ihn; ich schaute mir Fotos an, las seine Bücher und Bücher über ihn, hörte verschiedene Leute von ihm erzählen, kam in Städte, in die es auch ihn verschlagen hatte. Ich bekam Postkarten mit seinem Porträt. Einen seiner Romane habe ich so liebgewonnen, daß ich ihn bis heute als mein Buch betrachte.
    Jetzt will ich auf eine andere Weise von diesem Mann erzählen.
    Ich tue es ungern, aber ein paar Personen müssen genannt werden. J., mein Bruder, sein einjähriger Sohn T., L., die Frau von J. und Mutter von T., M. und B., meine Söhne, beide sind vor kurzem zehn geworden. Das genügt.
    Es war Sonntag, es war September (wenn ich das, was ich jetzt schreibe, zu Ende geschrieben habe, werde ich sagen können: »Es ist Sonntag, es ist September«, denn beides wird zutreffen). Ein paar Tage sind vergangen, und kaum etwas von diesem Tag ist mir noch in Erinnerung. Ein paar Wochen vergehen, und ich vergesse sogar das, was ich gerade schreibe. Aber ich kann zu den Dingen zurückkehren und mir mehr ins Gedächtnis rufen, als niedergeschrieben ist.
    Da waren ein paar Erinnerungsfragmente. Wir hatten lange geschlafen, denn am Abend zuvor waren wir bis spät in die Nacht aufgeblieben, um von einem Bistro über den Dächern der Stadt das in der Nacht beleuchtete Lemberg zu betrachten. Wir aßen das gleiche zum Frühstück, das wir schon seit Tagen am Abend, zu Mittag und zum Frühstück aßen – so viele Pfannkuchen hatte man uns dagelassen, wir mußten sie nur mit Quark füllen. Wir ließen ein paarMarschrutkas 26 vorbeifahren, weil wir uns mit den Nummern nicht auskannten, und bis man gelesen hat, wohin sie fährt … In der Marschrutka erzählte M. seinen Traum. Er war überzeugt, daß es, was die Qualität der Bilder, die Schönheit der Szenen und die Vollständigkeit der Komposition anging, der beste Traum der letzten Jahre gewesen sei. (Auf dem Rasen vor der gigantischen Steintreppe einer weißen Villa führen zwei sehr weiße Schafe und zwei sehr schöne Ziegen synchron und bereitwillig verschiedene Befehle aus, die man sonst Hunden gibt. Neben der Treppe wachsen hohe Wacholdersträucher. Jene, die die Befehle gibt, sitzt auf dem Balkon der Villa, neben ihr sitzt ein Hund, dem die Befehle nicht gelten, dann werden die Befehle von einem sehr schönen Lied abgelöst, und alle Tiere beginnen zu tanzen.) Ich habe jedes Wort gehört und verstanden, sagte M. Eine Steintreppe, daneben Wacholdersträucher, das ist sehr gut. Die Bemerkung kam von B., er träumte davon, Architekt zu werden. Inzwischen waren wir angekommen, stiegen bei einer Ampel aus und kauften Cremeschnitten (die Cremeschnitten dort sind immer sehr gut). Eine Obdachlose saß auf der Fensterbank des Ladens und aß frische Nüsse. Aß
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