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Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln

Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln

Titel: Danyel - Mit dem Schicksal lässt sich handeln
Autoren: Sophie R. Nikolay
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Würfel, Karten oder Mikadostäbe entscheiden oftmals darüber, wie
viele Jahre, Monate und Tage das neue Erdenkind am Leben bleibt.
    Je mehr die Bevölkerung wuchs, umso uninteressanter
wurde sie für Danyel. Die Wünsche und Träume der Sterblichen interessieren ihn
nicht, dennoch liebt er es, mit ihnen über die zugeteilte Lebenszeit zu
verhandeln. Dies erheitert ebenfalls seinen schnöden Alltag. Er weiß, was viele
von ihnen denken: Das Schicksal ist unfair.
     
    Die interessanteste Phase seines endlosen
Daseins erlebte er, als er sich der Welt vor sieben Jahrzehnten offenbarte. Mit
Belustigung verfolgte er, wie die Religionen haltlos in sich zusammenfielen,
nachdem die Menschen erkennen mussten, dass es weder Gott noch Teufel gab –
keinen Himmel, keine Hölle – nur die Realität. Der Glaube starb. Denn nur das
Schicksal lenkt ein jedes Wesen … und dieses trägt den Namen Danyel.
     
    Die Entscheidung, statt im Verdeckten,
vollkommen offen inmitten der Lebenden zu agieren, war eine gute gewesen. Sie
schmälerte Danyels Langeweile. Zudem fand er rasch ein Domizil.
    Danyel nennt die Vatikanstadt sein zu Hause,
den Petersdom seinen liebsten Platz – und nichts erinnert mehr an den
christlichen Hintergrund dieses Gebäudes. Dort empfängt er die Menschen, die
kommen, um mit ihm zu feilschen. Einen Grund haben sie alle. Die meisten lassen
sich von ihren Gefühlen leiten, andere von Vernunft und wieder andere handeln
aus Berechnung. Danyel gewährt gegen einen gewissen Preis eine Änderung der
Lebenszeit. Gewinner ist dabei niemals der Mensch, auch wenn der das glaubt …
     
    Die Pergamentbögen, die gerade vor ihm lagen,
trugen die Namen der kürzlich geborenen Kinder. Seine beiden Gehilfen saßen an
ihrem Tisch, das kratzende Geräusch der Schreibfedern verstummte immer nur
kurz, kaum wahrnehmbar. Seufzend griff Danyel zum Würfel.
    Auf dem obersten Bogen stand: Monja Hein, geb.
12.01.1997
    Der Würfel fiel und zeigte zwei Augen, dann
vier, wieder zwei und beim letzten Wurf fünf. Danyel griff seine Feder und
schrieb: 2 Jahrzehnte, 4 Jahre, 2 Monate, 5 Tage. Damit war entschieden.
    Das Pergament schob er auf die andere
Tischseite und nahm sich das nächste vor. Zu jeder vollen Stunde kam der Herr
der Boten, sammelte die fertigen Bögen ein und reichte sie an die Überbringer
weiter. Danyel wusste, die Menschen nannten seine Boten Todesengel, dabei waren
sie keine Engel im altbekannten Sinne. Übermenschlich ja, aber gewiss nicht
diese Figuren, wie sie im christlichen Glauben existiert hatten. Allerdings
amüsierte ihn der Vergleich, vor allem, da seine Boten nicht mal Flügel
besaßen.
    Ein paar Bögen beschrieb er noch auf diese
Weise, ließ die Augen des Würfels entscheiden. Doch die Menge, die jeden Tag
anfiel, ließ nicht zu, dass er mit der Zeit zu lange spielte. Es war nur eine
Ablenkung, da es ihm sonst zu eintönig erschien. Die Geburtenrate war zwar um
die Hälfte gesunken, nachdem er sich der Welt offenbart hatte, dennoch kamen
binnen eines Tages etwa 172.800 Menschen zur Welt. Die meisten Pergamente
füllte er gedanklich aus. Die Papiere und die Schreibfedern bewegten sich von
allein, nur weil er es so wollte. Aktuell führte er dreißig Federn nur mit der
Kraft seines Willens. Wenn er willkürliche Zahlenfolgen diktierte, geschah das
in rasender Geschwindigkeit. In diesen Momenten saß Danyel oft da, als würde er
meditieren. Die Zahlen setzte er unsystematisch, Namen und Herkunft waren ihm
einerlei, ebenso wie das, was er festlegte. Im Großen und Ganzen setzte er ein
durchschnittliches Alter fest. Dazwischen schob er wahllos welche, die sehr
jung oder sehr alt sterben würden. Eine spezielle Auswahl traf er dabei nicht.
     
    Die Tür schwang auf und Dafour, der Herr der
Boten, kam mit gerunzelter Stirn auf ihn zu.
    „Du bist im Verzug, Danyel“, merkte er an, ohne
dass es wie eine Rüge klang. Das hätte er sich auch nicht erlauben dürfen.
    „Lass das meine Sorge sein.“
    Dafour deutete ein Nicken an. Anschließend wies
er mit der Hand auf die Kiste mit den Stapeln fertiger Lebenszeitdokumente und
ließ sie auf sich zufliegen. Neben der Fähigkeit, wie Danyel die Dinge
willentlich zu bewegen, war er wie die anderen Boten in der Lage, zu fliegen.
    Danyel bezweifelte nicht, dass jedes dieser
Pergamente zum richtigen Empfänger gelangen würde. Noch nie war Dafour ein
Fehler bei der Zuteilung unterlaufen. Dass die Menschen die Dokumente
ausgehändigt bekamen, war im Vergleich zum Alter der
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