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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss
Autoren: Christine Fehér
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er sagt. Ihre Eltern nicken nur, müde und willenlos, keiner von beiden hat inzwischen irgendetwas in die Kisten gepackt.
    Rausgehen. Zum ersten Mal reden. Draußen sein mit jemandem, den es bisher noch nicht gab. Natalie riecht die warme Erde und spürt die Julisonne auf ihrer Stirn und ihren Wangen, als sie auf die Straße tritt. Man kann sich nicht ewig einigeln, sie ist sowieso nicht der Typ dafür. Es muss ja weitergehen, Max würde sich klammern an den Gedanken, dass wenigstens sie weitermacht. Sich jetzt nicht fallen lässt.
    Wie von selbst und in stummer Übereinstimmung steuern sie den Weg zum Park an. Irgendwo dahinter beginnt der Friedhof.
    Â»Ich bin übrigens Jonathan«, sagt er. »Erzähl einfach mal. Falls du die Malsachen doch noch rausrückst … dann weiß ich wenigstens, wer das war, dem sie gehört haben.«
    2.
    Max’ Beisetzung ist erst wenige Tage her, aber im Hochsommer verdirbt alles schnell. Die Kränze sind abgeräumt, die Gestecke verschwunden, leuchtende Mohnblumen und blauer Männertreu, geschickt arrangiert im Wechsel mit gelben Stiefmütterchen und rosa Rosen, verleihen seinem Grab eine sommerliche, fröhliche Ausstrahlung.
    Â»Sieht toll aus«, bemerkt Jonathan. »Machst du das oder deine Eltern?«
    Â»Meine Mutter kann noch nicht herkommen«, antwortet Natalie. »Das packt sie noch nicht, die Beerdigung war schon eine einzige Katastrophe. Und mein Ding ist dieser Blumenkram überhaupt nicht. Nein, das ist … das macht jemand anders. Von einer Gärtnerei hier in der Nähe.«
    Jonathan nickt. »Es wirkt eher wie ein liebevoll gestaltetes Beet in einem Garten als wie eine letzte Ruhestätte.«
    Â»Ãœbertreib nicht.« Natalie wendet sich ab, will weitergehen. »Ich weiß, es sieht perfekt aus. Nach außen war alles perfekt in Max’ Leben. Trotzdem hat er es getan.«
    Â»Getan? Was hat er getan?« Jonathans Stimme klingt sanft, geduldig, normalerweise regt Natalie so ein Gesäusel auf. Heute nicht. Er kennt sie nicht, weiß nichts. Dann kann er auch nichts beurteilen, nicht ver urteilen. Sie kann einfach erzählen, egal wie lange es dauert, und wenn er ihr dämlich kommt, wird sie ihm sein Geld zurückgeben und ihn zum Mond schicken.
    Â»Dein Kopf.« Er deutet auf ihre Narbe an der Schläfe, die noch immer gerötet und leicht geschwollen ist. »Was ist passiert?«
    Â»Wenn ich das wüsste.« Natalies Blick ist düster, in die Ferne gerichtet. »Ich weiß nur noch, wie mies er drauf war am letzten Abend. Irgendwas war mit der Schule, das ging schon länger, mein Vater hat ihn immerzu drangsaliert, er sollte noch mehr und noch mehr lernen, dabei hatte er schon kaum noch Zeit für was anderes. Monatelang ging das so. Irgendwas war dann mit seinem Lehrer … und seiner Tussi … sorry, Jonathan, ich hab da echt ‘nen Filmriss. Muss durch den Aufprall kommen; ich hoffe, ich laufe jetzt nicht für den Rest meines Lebens mit Alzheimer rum. Ist sowieso ein Wunder, dass ich nicht mit draufgegangen bin. Ich habe nichts weiter als diese Narbe – und den Filmriss eben. Max hat das so gemacht …« Natalies Stimme bricht, sie schüttelt den Kopf, legt ihre Hand auf die Lippen, bleibt stehen. »Wir hätten alle draufgehen können, alle, die mit im Auto saßen. Wenn einer mit dem Auto gegen einen Baum rast, bleibt normalerweise nicht viel übrig, weder vom Wagen noch von den Insassen.«
    Â»Kommt auf die Geschwindigkeit an und darauf, ob er frontal dagegen kracht oder noch versucht hat auszuweichen.«
    Â»Draufgegangen ist jedenfalls nur Max. Wir anderen leben alle, auch wenn es seinen Kumpel Paul und seine Freundin Annika ganz schön erwischt hat. Paul liegt immer noch im Krankenhaus. Dabei saßen sie hinten und ich war die Beifahrerin.«
    Â»Annika? Meinst du damit, sie war die Freundin von diesem Paul oder von deinem Bruder?«
    Â»Sie war Max’ Freundin. Er war mit dieser Annika zusammen, obwohl sie nicht zu ihm gepasst hat. Ich hab das nie verstanden. Annika ist so eine Hübsche, Beliebte, die jeden Jungen haben kann, aber sie ist oberflächlich. Er war nicht glücklich mit ihr.«
    Natalie reibt sich wieder die Stirn, der Kopf tut ihr weh, das passiert seit dem Crash oft, wenn sie grübelt.
    Â»Du musst dich nicht bemühen«, versucht Jonathan sie zu beruhigen. »Wenn die Erinnerungen weg sind,
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