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Dann klappt's auch mit dem Doktor

Dann klappt's auch mit dem Doktor

Titel: Dann klappt's auch mit dem Doktor
Autoren: Caroline Lenz
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schreibt an ihrer Arbeit. Ich hänge meine Jacke auf und fahre den Computer hoch. Dann gehe ich die Post durch. Nichts Neues. Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich Nils mal wieder vermisse. Das ist auch nichts Neues. Leider. Dabei sollte ich stinksauer sein, weil er mich so einfach sitzengelassen hat und den Kerl abhaken. Mit der mir eigenen gehörigen Portion Naivität hoffe ich insgeheim immer noch, dass es sich um ein Missverständnis handelt und er mir nicht absichtlich aus dem Weg geht. Realistisch gesehen, entspricht aber die Version mit dem »einfach sitzengelassen« wohl eher der Wahrheit.
    Â»Deine Mutter. Hier«, unterbricht Katharina plötzlich meine Gedanken.
    Â»Bitte?«, verwirrt streiche ich mir eine verschwitzte Haarsträhne aus dem Gesicht. Katharina hält mir mit fragendem Blick den Telefonhörer entgegen.
    Â»Es ist das vierzehnte Mal, dass sie heute Morgen anruft. Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes passiert.«
    Â»Vierzehn Mal? Es ist gerade erst Viertel nach acht.«
    Â»Sie ruft seit halb acht ständig an.«
    Mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust nehme ich den Hörer. Hoffentlich ist nichts mit meinem Vater.
    Â»Guten Morgen, Mutter, was gibt es?«
    Â»Ich versuche seit halb acht, dich zu erreichen. Ich denke, du arbeitest so viel.«
    Â»Ab acht. Was ist los?«
    Â»Was los ist? Ich denke, das weißt du genau. Jetzt tu nicht so.« Ich habe keine Ahnung, aber ich bin sicher, sie wird’s mir gleich verraten.
    Â»Frau Beier hat mir alles erzählt. Eine Schande ist das!«
    Â»Schande ist gut. Sie hätte mich umbringen können. Aber bei den Fahrrädern ist mit ihr nicht zu spaßen.«
    Â»Was redest du da? Lenk bloß nicht ab. Ich weiß alles über diese Männer, die bei dir ein und aus gehen und sogar bei dir übernachten.«
    Â»Dann sei doch froh. Du willst doch immer, dass ich mich mit Männern treffe.«
    Â»Aber nicht, dass du dich benimmst wie das letzte Flittchen. So findest du nie einen anständigen Mann, der dich in deinem Alter noch nimmt.«
    Â»Jetzt komm mal runter. Nur weil ein Mann bei mir übernachtet hat, bin ich noch lange kein Flittchen.«
    Â»Es war ja wohl nicht nur einer.«
    Â»Ich bezweifle, dass Frau Beier das so genau mitbekommen kann, während sie meinen Müll durchwühlt.«
    Â»Es ist einfach eine Schande. Wie kannst du mir das antun? Das nächste überregionale Kegelvereintreffen steht an, und du machst mich zum Gespött der Leute. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll. Ich habe doch immer alles für dich getan. Wie konntest du nur?«
    Â»Falls es dich vielleicht interessiert: Ich hab gar nichts getan.«
    Â»Immer diese Lügen. Hör auf damit. Du bist und bleibst eine einzige Enttäuschung für mich.«
    Â»Dann sollten wir dieses Gespräch lieber beenden.« Wutschnaubend lege ich auf.
    Â»Alles in Ordnung?«, fragt Katharina.
    Â»Alles bestens«, antworte ich knapp, verlasse schnell den Raum und verstecke mich auf der Toilette, bevor ich noch vor irgendwem in Tränen ausbreche. Ich weiß doch, wie meine Mutter tickt. Aber trotzdem verletzt es mich jedes Mal, wenn sie mich mal wieder als Versagerin darstellt. Das ist so unfair. Vielleicht sollte ich einfach weit weg ziehen. Irgendwohin, wo mich keine Kegelschwestern meiner Mutter terrorisieren können. Dieser Ort muss definitiv weit weg sein, so vernetzt, wie die Damen sind. Ich atme noch mal tief durch. Langsam löst sich der Kloß in meiner Kehle. Jemand betritt die Toilette: »Anna?« Mist, es ist Katharina.
    Â»Kann man hier nicht mal in Ruhe für zwei Minuten auf die Toilette gehen?«
    Â»Entschuldige, aber die Sekretärin von Professor Astrup hat angerufen. Er erwartet dich zu einem Gespräch.«
    Â»Wann?«
    Â»Na ja, jetzt sofort.«
    Â»Gut, vielen Dank.«
    Das hat mir gerade noch gefehlt! Was für ein blöder Zeitpunkt! Jetzt, wo ich durch die Bösartigkeiten meiner Mutter angeschossen bin, bin ich für ihn leichte Beute. Wenn ich an so was glauben würde, könnte ich glatt meinen, die hätten sich alle gegen mich verschworen. Das Schicksal nervt manchmal echt. Mit Leichenbittermiene mache ich mich auf den Weg zu Professor Astrups Büro, um mein Urteil zu erwarten. Inzwischen habe ich meine zweihundertste Überstunde erarbeitet und auch noch aufgeschrieben, anstatt sie unter den Tisch fallen zu
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