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"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

"Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)

Titel: "Dann iss halt was!": Meine Magersucht – wie ich gekämpft habe – wie ich überlebe (German Edition)
Autoren: Christian Frommert , Jens Clasen
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geistig unterfordert. Ein Buch vielleicht? Ein Tagebuch zunächst. Und so begann ich aufzuschreiben, was ich fühle, was ich mache und denke, oder vielmehr, was ich nicht mehr fühle, nicht mehr machen kann und was ich gerne wieder anders denken würde. Ich schrieb. Aus der fixen Idee wurde ein Projekt. Alles habe ich notiert. Gedanken wurden dokumentiert, sobald sie entstanden. Ich hatte täglich einen ganzen Kopf voll davon. Alles musste raus, pausenlos, überall: Ich lag mit Notizblock im Bett, saß mit Smartphone auf dem Rad und mit Diktiergerät im Auto.
    Herausgekommen war ein bisweilen tief verstörendes, bis zur Unerträglichkeit offenes Bild eines dahinvegetierenden Mannes, der scheinbar willenlos all das wegwarf, was er aufgebaut hatte, und keinen Pfifferling mehr auf das gab, was ihm einst wichtig war.
    Herausgekommen war vor allem die Beschreibung einer wilden Achterbahnfahrt durch meine nicht minder wilden und wirren Gefühls- und Gedankenwelten, eines Tagesablaufs, der die täglich stoisch zelebrierte Zerstörung meiner selbst offenlegte.
    Herausgekommen waren viele Zeilen, die ich irgendwann einmal sortieren wollte, ausdrucken und dann der Hand voll Menschen in die Finger geben würde, die mich auf diesem qualvollen Weg begleitet haben, und auch denen, die mir irgendwann einmal nicht mehr folgen mochten, die ich verloren hatte.
    Im Frühjahr 2011 erzählte ich einem befreundeten Journalisten von meinem Privatprojekt. Er schlug vor, daraus eine Geschichte zu machen. Ich lehnte ab. Es war mir unmöglich, daraus eine Art Reportage zu schreiben. Er ließ nicht locker und schickte Jens ans Telefon. Jens Clasen. So lernten wir uns kennen und schätzen.
    Ich habe ihm meine Geschichte und Anekdoten aufgetischt, ihn meinen Text lesen lassen. Einige Zeit später hatte er seine Fassung wieder und erste Worte gefunden – wir begannen damit, gemeinsam zu arbeiten. Er schlüpfte in die Rolle des Zuhörers, Bewerters, Beobachters, Einordners, Entschärfers, vor allem aber in die des Filterers. Er zerlegte die schwere Kost in leichter verdauliche Häppchen, servierte Vorschläge. Ich kramte immer tiefer in Herz und Hirn und schrieb und schrieb und schrieb. Wir fügten zusammen, ergänzten, löschten und erhöhten so den Gehalt. So entstand das Buch.
    Was Sie lesen werden, ist meine Geschichte. In aller Subjektivität. Eine Geschichte, die in Teilen auch typisch ist für diese tückische Krankheit, hinter der sich ein Bedürfnis nach tieferen Verbindungen verbirgt.
    Von Anfang an war klar: Es wird kein Ratgeber werden, kein »So geht’s, so wird’s gemacht und so nicht«. Die Magersucht ist ja vor allem der Versuch, Probleme zu lösen, Selbstbestätigung zu erhalten, Trost und Anerkennung, oder um den Wunsch nach Geborgenheit, nach Liebe zu befriedigen.
    Ich freue mich, wenn Sie aus dem Buch, das für mich ein therapiebegleitender Prozess und ein Bildnis meiner selbst war, etwas herausziehen können, es für manch einen auch Hilfe sein kann, ob er mit dieser Krankheit konfrontiert wurde bzw. wird oder nicht.
    Christian Frommert

Prolog
    Der Tiefpunkt
    Noch 28 Stufen. Es könnte aber genauso gut der Weg bis zum Pluto sein. Unerreichbar meine Wohnungstür am oberen Ende der Treppe. So kommt es mir jedenfalls vor, als ich – 39 Kilo leicht und über alle Maßen entkräftet – im Erdgeschoss des Treppenhauses mehr liegend als sitzend an der Wand lehne. Im zweiten Stock ist meine Wohnung. 28 Stufen weit. Ich bin hier unten – und ich weiß, ich schaffe es nicht nach oben. Ich schaffe gar nichts mehr.
    Diese Treppe hier ist die Vor-Stufe zur Hölle. Es ist der 1. Weihnachtsfeiertag 2009. Seither für mich eher bekannt als: mein absoluter Tiefpunkt.
    Und das trifft es gleich doppelt, denn leichter war ich nie. Nur wenige Tage zuvor hatte ich mich wieder aus der Klinik entlassen. Mein Schwager Bernd, der Arzt, hatte mich dort einweisen lassen, weil sich die Nährwerttabelle einer Tüte Chips besser las als die Daten meines Blutbilds, das ihm am 15. Dezember seinen Augen nicht trauen ließ. Er duldete keinen Widerspruch und keinen Aufschub. 48 Stunden später kam ich in der Klinik an. Ich quälte mich aus dem Beifahrersitz des A4 meines Nachbarn Dieter und schleppte meine 41 Komma irgendwas Kilo durch den Haupteingang. Hier bin ich. Ich will’s aber gar nicht sein.
    Bei meinem Anblick wurden die Schwestern blass und die Ärzte nervös. »Es ist ein Wunder«, sagt einer, »dass Sie hier noch aufrecht und auf eigenen
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