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Danach

Danach

Titel: Danach
Autoren: Koethi Zan
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Geheimgesellschaft«, antwortete Tracy.
    »Verstehe.« Adele schien geschockt, hatte sich aber schnell wieder im Griff. »Na ja, Jack war besessen von der Literatur der Transgression: Bataille, de Sade, Mirbeau. Er fand, dass sie einem hilft, die psychologischen Vorbedingungen für Perversionen, Fetische oder sadistische Impulse, also all das, verstehen zu können.« Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, fast so, als wollte sie uns bekehren. »Aber Jack war der Überzeugung, dass man extremes, grenzüberschreitendes Verhalten – anders als Depressionen, Schizophrenie oder Schlafstörungen – nicht durch schlichte Beobachtung erforschen konnte. Man musste es am eigenen Leib erfahren.
    Und genau das haben wir getan. Wir haben unser ganzes Leben danach ausgerichtet, zum Kern dieser These vorzudringen. Wir haben unsere eigenen Rituale erschaffen und die eben erwähnte Literatur dazu benutzt, in die richtige Stimmung zu kommen und besser in der Lage zu sein, uns von den gesellschaftlichen Normen zu lösen und unser wahres Ich freizulegen. Auf dieser Grundlage erreichten wir ein tieferes Verständnis, das weit über die üblichen …«
    Sie brach plötzlich ab und räusperte sich verlegen, als sie unsere Gesichter sah. Wir konnten ihr längst nicht mehr folgen. »Ja, es stimmt«, sagte sie dann. »Im Zuge unserer Arbeit haben wir auch über Menschenopfer, Verstümmelung, Sklaverei und andere Formen entwürdigenden Verhaltens gesprochen. Aber das Ganze war nur ein Spiel, es war nicht echt. Genau wie die Dinge, die wir in der Gruft getan haben.« Sie verstummte und blickte zu der Schachtel mit den Fotos hinüber. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Zumindest habe ich das geglaubt. Ich weiß nicht, vielleicht wollte uns Jack zu willigen Jüngern heranziehen und uns nach und nach auf drastischere Dinge vorbereiten, aber dazu ist es bis zu seiner Verhaftung nie gekommen, das schwöre ich!«
    Wir starrten sie gebannt an. Keiner von uns bewegte sich, aus Angst, sie von ihrem Geständnis abzulenken.
    Während sie ihre Gedanken sortierte, blickte ich flüchtig im Zimmer umher, kontrollierte Tür und Fenster und spitzte die Ohren. Es war alles still. Jack ließ uns zappeln. Ich hielt mein Messer auf dem Schoß umklammert, immer wieder krampfte sich meine Faust um den Griff.
    Adele holte tief Luft, bevor sie fortfuhr.
    »Jack lud auch einen alten Freund in den Zirkel ein – Joe Myers nannte er ihn. Dieser Typ war ein ganz anderes Kaliber. Er war der Extremste von uns allen, grausam und gewalttätig. Nach seinem Beitritt fragte ich mich manchmal, auf was ich mich eingelassen hatte, aber da steckte ich schon zu tief drin. Außerdem schien Jack alles unter Kontrolle zu haben, und in meiner Naivität habe ich ihm blind vertraut.«
    Sie hielt inne und sah uns eindringlich an, bevor sie zögernd hinzufügte: »Erst als Joe Myers gestern in die Liste der meistgesuchten Verbrecher aufgenommen wurde, habe ich kapiert, dass das nicht sein richtiger Name ist.« Sie wartete ab, bis ihre Aussage zu uns durchgedrungen war und sich der Schock auf unseren Gesichtern abzeichnete. »Genau, Joe Myers ist Noah Philben«, bestätigte sie. Nach einer kurzen dramatischen Pause fuhr sie fort: »Als Jack verhaftet wurde, hat sich diese Neuigkeit wie ein Lauffeuer auf dem ganzen Campus verbreitet, aber das FBI konzentrierte sich anfangs noch allein auf sein Haus. Bevor die Beamten auch sein Büro an der Uni durchsuchen konnten, bin ich heimlich hineingeschlüpft und habe fortgeschleppt, was ich tragen konnte. Ich wusste, dass ich nur diese eine Chance hatte, und war fest entschlossen, sein Projekt fortzuführen. Allerdings war mir klar, dass er die wichtigsten Unterlagen in einem Versteck bei sich zu Hause aufbewahrte, und darauf hatte ich nun keinen Zugriff mehr.
    Noah Philben – den ich damals noch als Joe Myers kannte – war ebenfalls scharf auf Jacks Dokumente. Keine Ahnung, warum. Ich hatte Angst, dass er schon Unterlagen entwendet hatte, und wollte ihn damit konfrontieren, aber er war bereits spurlos verschwunden. Jedenfalls war er für mich nach Jacks Verhaftung nicht mehr auffindbar, da ich ja seinen echten Namen nicht kannte. Ich schwöre, dass ich erst seit gestern weiß, wie er wirklich heißt. In den Nachrichten haben sie ein Foto von ihm gezeigt, darauf habe ich ihn erkannt.«
    Sie wandte sich an mich. »Als ich sein Gesicht gesehen und gehört habe, dass Sylvia seiner Kirche angehört, war mir sofort klar, dass Ihre Suche Sie
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