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Damals warst du still

Titel: Damals warst du still
Autoren: Christa von Bernuth
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Ekel. Sein Fernziel war die Mordkommission. Dort wollte er eines Tages hin, und diese Gelegenheit hier, redete er sich ein, war schon mal ein guter Anfang.

3
    Dienstag, 15. 7., 10.00 Uhr
    KHK Mona Seiler hieß die Chefin der Mordkommission 1, die diesen Fall übernehmen würde. David hatte sie schon vor dem Babylon gesehen, als sie später zu den Kollegen von der Todesermittlung hinzugekommen war, aber nur kurz mit ihr gesprochen. Sie hatte eine heisere Stimme und schien nicht gerade jemand zu sein, der gern viele Worte machte. Sie galt, wusste David aus der Gerüchteküche, als Typ, der sich durchbiss und keinen Humor hatte. Aber das sagte man hier von allen Frauen, die es zum Ärger nicht beförderter Kollegen geschafft hatten, ein paar Stufen in der Polizeihierarchie aufzusteigen. Er nahm dieses Gerede nicht ernst.
    David saß wartend in KHK Seilers Büro im Dezernat 11. Die Morgensonne fiel durch das gekippte Fenster und heizte den kleinen, nüchternen Raum unangenehm auf. An den Wänden standen Metallregale voller Aktenordner, die braune Schreibtischplatte aus lackiertem Pressspan war dagegen leer bis auf die absolut unverzichtbaren Dinge: den PC, einen Plastikbecher mit Kugelschreibern und Bleistiften, eine kleine Stehlampe und das Telefon. Kein Foto auf dem Schreibtisch, keine Pflanze am Fenster. Nichts Privates, an dem der Blick hängen bleiben konnte, um die Fantasie auf Touren zu bringen. Es hätte irgendein Büro sein können in irgendeiner Behörde, irgendwo auf der Welt. Das machte es in Davids Augen wiederum interessant. Der internationale Prototyp eines Büros. David gähnte und rieb sich die Augen.
    Von draußen dröhnte der Verkehr mit einer Lautstärke, als befände man sich mittendrin und nicht in einem Raum drei Stockwerke darüber. Trotz seiner Müdigkeit ging David schließlich zum Fenster und betrachtete durch die staubigen Scheiben das Treiben am Hauptbahnhof. Es roch nach Benzin und aufgeheiztem Teer. Eine Straßenbahn hielt unentwegt bimmelnd und mit kreischenden Bremsen – Metall auf Metall -, und David war versucht, sich wie ein Kind die Ohren zuzuhalten. Schließlich machte er das Fenster trotz der Treibhaustemperaturen zu und begab sich wieder an seinen Platz vor dem Schreibtisch.
    Auf dem Gang wurden Männerstimmen laut. David setzte sich unwillkürlich gerade hin, aber die Stimmen passierten das Büro und entfernten sich wieder. Erneut herrschte Stille, bis auf den nun einigermaßen gedämpften Straßenlärm. David sah zum zehnten Mal auf die Uhr. Vier nach zehn. Ob er sich bei Sandy melden sollte? Aber er hatte keine Lust auf weitere Vorhaltungen, und es gab auch nichts Neues mitzuteilen. Er wusste selbst nicht, wie lange das alles hier noch dauern würde. Die Leiche des Jungen, dessen Identität noch nicht festgestellt war, befand sich schon seit Stunden im Institut für Rechtsmedizin und wurde obduziert. Am Tatort – wenn er es denn war, das wurde noch geprüft – hatte der Gerichtsmediziner weitere Stichverletzungen in Rücken und Bauch festgestellt, die dem Jungen post mortem beigebracht worden waren. Auch die Zunge war dem Jungen wahrscheinlich erst herausgeschnitten worden, als er bereits tot war.
    David war mehrfach von unterschiedlichen Kollegen der MK 1 befragt worden, er hatte seiner Ansicht nach alles gesagt, was es zu sagen gab, und viel wusste er ja ohnehin nicht. Er hatte also gehofft, dass man es dabei bewenden lassen würde und er nicht auch noch im Dezernat vernommen werden musste, aber diese Mona Seiler hatte darauf bestanden.
    Vielleicht war sie wirklich so, wie ihre Untergebenen sagten. Penibel und unlocker. Penibel und unlocker. Die beiden Worte vollführten Kapriolen in seinem Hirn, sein Kinn sank ihm auf die Brust, und er nickte ein.
    In diesem Moment sprang die Tür auf.
    David fuhr hoch, KHK Seiler kam herein, im Schlepptau jene zwei Männer, die bereits vor dem Club mit ihm gesprochen hatten. Der eine war Ende zwanzig und ziemlich großspurig und selbstbewusst, der andere sah aus wie achtzehn, wirkte sehr sensibel und litt, das hatte David beim Gespräch vor dem Babylon festgestellt, unter einem nervösen Augenzucken. David versuchte, sich an die Namen zu erinnern, aber sie fielen ihm nicht ein.
    »Hallo, bleiben Sie sitzen«, sagte Mona Seiler im Vorbeigehen. Die Männer lehnten sich an die geschlossene Tür hinter David, sie setzte sich hinter ihren Schreibtisch. David sammelte sich. Wenn er jetzt kurz und präzise blieb, könnte er in einer Stunde im
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