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Damals im Dezember

Damals im Dezember

Titel: Damals im Dezember
Autoren: Richard Paul Evans
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sich Carlos und Carmen gemeinsam auf dem Sofa niederließen, das in einigem Abstand vor dem Sessel stand. Ich setzte mich auf einen seitlich stehenden kleineren Sessel.
    Mein Vater blickte kurz zu Boden, um sich zu sammeln, und dann zu Carlos hoch. »Ich bin gekommen, um Ihnen dafür zu danken, dass Sie meinen Jungen gerettet haben.«
    »Das hab ich doch gar nicht. Er …«
    Mein Vater unterbrach ihn. »Luke hat mir alles erzählt. Sie waren da, als er Sie gebraucht hat. Ich würde mich gern dafür erkenntlich zeigen. Ich habe gehört, dass Ihr ältester Sohn krank ist. Erzählen Sie mir davon.«
    Carlos warf Carmen einen Blick zu und sah dann wieder meinen Vater an. »Er leidet an Kardiomyopathie«, erklärte er. »Es ist eine Erkrankung des Herzens.«
    »Eine sehr ernste Erkrankung«, fügte mein Vater hinzu. Er wandte sich an Carmen. »Wie geht es ihm?«
    »Noch weilt er unter uns«, meinte Carmen.
    Mein Vater sah die beiden einen Moment lang an. »Ich hätte gern, dass es so bleibt. Ein Golffreund von mir, Dr. Mario Nelson, ist Chefarzt der Kardiologie im St. Joseph’s Hospital in Phoenix. Ich habe ihm vom Gesundheitszustand Ihres Sohnes erzählt, und er ist bereit, ihn jederzeit bei sich aufzunehmen.«
    Carlos und Carmen wirkten ein wenig beklommen. »Danke, Sir«, sagte Carlos, »aber mein Sohn hat keine Krankenversicherung.«
    »Es ist bereits alles geregelt«, beruhigte ihn mein Vater. »Ich werde das übernehmen.«
    Die beiden starrten meinen Vater ungläubig an. Ich wusste, dass mein Vater ihnen persönlich danken wollte, aber nicht, in welchem Maße. Ich sah meinen Vater an und lächelte. Dann erhob sich mein Vater. Er zog zwei Visitenkarten aus der Brusttasche seines Mantels und überreichte sie Carlos. »Das sind die Karten des Arztes und meine. Er erwartet Ihren Anruf. Ihr Sohn muss lediglich einen Termin vereinbaren und hingehen.«
    Carmen brach in Tränen aus. »Gott segne Sie!«
    Carlos begann ebenfalls zu weinen. Er und Carmen umarmten einander, dann sagte Carlos zu meinem Vater: »Danke. Danke, Mr Crisp. Danke.«
    »Carl«, korrigierte ihn mein Vater lächelnd. »Ich habe dankbar zu sein. Wenn Dr. Nelson der Meinung ist, dass Ihr Sohn fliegen kann, dann rufen Sie meine Assistentin an. Sie wird auf meine Veranlassung hin Ihren Flug buchen und dafür sorgen, dass ein Wagen Sie abholt und ins Krankenhaus fährt.« Er sah zu mir herüber und lächelte. In meinen Augen standen jetzt ebenfalls Tränen, und ich nickte zustimmend.
    »Wollen wir gehen, mein Sohn?«
    »Ja, Sir.«
    Carlos und Carmen begleiteten uns zur Haustür. Carmen umarmte mich wieder und wieder. »Kann mich mal jemand kneifen«, meinte sie. »Gott segne Sie, Carl. Gott segne Sie.«
    »Das hat er schon«, erwiderte mein Vater.
    Sobald wir im Wagen saßen, sagte ich zu meinem Vater: »Du hast mir gar nicht gesagt, dass du das tun würdest.«
    Ein breites, fast kindliches Grinsen huschte über sein Gesicht. »Das hat Spaß gemacht, nicht?«
    Ich nickte. »Ja, das hat es.«
    Der Fahrer sah zu uns nach hinten. »Zum Flugplatz, Sir?«
    »Nein«, antwortete mein Vater. »Ich muss mir noch etwas ansehen.«

Einundfünfzigstes Kapitel
    Die wechselnden Zeitläufte können Phasen des Elends in unserem Leben hinwegschmelzen wie der warme Frühling das Eis. Dies war mein letzter Dezember.
    Aus dem Tagebuch von Luke Crisp
    Mein Vater und ich standen über dem Betondamm und sahen in die Öffnung des Entwässerungstunnels hinab.
    »Da drinnen hast du gewohnt?«, fragte er leise.
    »Trautes Heim, Glück allein«, erwiderte ich. »Rund hundert Meter vom Eingang entfernt habe ich mir einen gemütlichen kleinen Unterschlupf aus Pappkartons gebaut.«
    Mein Vater blickte schweigend in den Tunnel hinunter, und ich fragte mich, was ihm durch den Sinn ging. Nach etwa einer Minute fragte er schließlich: »Was hast du daraus gelernt, mein Sohn?«
    Ich sah einen Moment lang nach unten und dann wieder zu ihm hin. »Ich habe gelernt, dankbar zu sein.«
    Er nickte, und ich konnte sehen, dass ihm meine Antwort gefiel. »Noch etwas?«
    Ein breites Lächeln huschte mir über das Gesicht. »Ich habe gelernt, dass die Liebe meines Vaters unbeirrbar ist.«
    Seine Augen wurden feucht. »Unbeirrbar, bedingungslos, beständig.« Er wandte sich mir zu und sah mir tief in die Augen. »Vergiss das niemals.« Er legte seinen Arm um mich. »Bist du bereit, nach Hause zu fahren?«
    »Fast«, antwortete ich. »Fast.«

Zweiundfünfzigstes Kapitel
    Ich weiß nicht, was sich hinter
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