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Daisy Goodwin

Daisy Goodwin

Titel: Daisy Goodwin
Autoren: Eine englische Liebe
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Gründe, heute Abend so gut wie möglich
aussehen zu wollen. Heute Abend hatte sie das letzte Mal Gelegenheit, Teddy zu
sehen, ehe sie nach Europa reisen musste. Gestern bei dem Picknick waren sie
sich so nahegekommen, sie war sicher, dass Teddy sie hatte küssen wollen, aber
ihre Mutter hatte sie aufgespürt, bevor etwas hätte passieren können. Cora
lächelte bei dem Gedanken, wie ihre Mutter ins Schwitzen gekommen sein musste,
als sie in die Pedale getreten war, um sie einzuholen. Mrs. Cash hatte
Fahrräder als etwas für Rangen abgetan, bis ihr aufgegangen war, dass ihre
Tochter sie nutzen konnte, um ihr zu entkommen, und so hatte sie eines
Nachmittags Fahrradfahren gelernt. Cora war vielleicht das reichste Mädchen
Amerikas, aber bestimmt war sie auch dasjenige, das am häufigsten verfolgt
wurde. Heute Abend sollte sie in die Gesellschaft eingeführt werden, und hier
saß sie, festgebunden an diesem Folterinstrument. Es wurde Zeit, dass sie
befreit wurde. Mit einer steifen Bewegung reckte sie sich und betätigte die
Klingel.
    Bertha war mit dem Kolibri-Mann in der
Küche. Er stammte aus derselben Gegend South Carolinas wie sie, und alljährlich,
wenn er herkam, um den Gastgeberinnen von Newport ihre liebste Festüberraschung
zu liefern, überbrachte er Bertha Nachrichten von ihrer Familie, die sie nicht
mehr gesehen hatte seit dem Tag vor zehn Jahren, an dem der Pfarrer sie
ausgewählt hatte, in den Norden zu reisen; aber manchmal, wenn sie am Backtag
durch die Küchenräume ging und diesen heißen, süßen Duft roch, meinte sie, den
blauweiß gestreiften Rock ihrer Mutter um die Ecke wischen zu sehen. Inzwischen
konnte sie sich kaum noch an ihr Gesicht erinnern, aber dieser Duft versetzte
sie so schnell wieder in die alte Hütte, dass ihr Tränen in die Augen traten.
Zu Beginn hatte sie mit den Geschenken und dem Geld noch Briefe mitgeschickt,
in der Annahme, dass ihre Mutter jemanden finden würde, der sie ihr vorlas,
aber mittlerweile hatte sie damit aufgehört, sie wollte nicht, dass irgendein
Fremder ihrer Mama laut von ihren Herzensangelegenheiten berichtete.
    «Ihre Mama hat gesagt, ich soll
Ihnen sagen, dass Ihr Onkel Ezra gestorben ist», sagte der Kolibri-Mann und
nahm seine Melone ab, vielleicht aus Gründen der Pietät, vielleicht, um Bertha
mit seinem glatten Schädel zu beeindrucken. Bertha senkte den Kopf; sie
erinnerte sich dunkel, auf Onkel Ezras Schultern in die Kirche getragen worden
zu sein und sich gefragt zu haben, ob es wohl genügte, sich an den Haaren
festzuhalten, die aus seinen Ohren wuchsen.
    «Es war eine schöne Beerdigung,
sogar Mrs. Calhoun ist gekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.»
    «Und Mama, wie geht es ihr? Trägt
sie den Schal, den ich ihr geschickt habe? Sagen Sie ihr, dass die Hausherrin
ihn aus Europa mitgebracht hat.»
    «Das werde ich sie wissen lassen
...» Der Kolibri-Mann verstummte
und sah auf die verhängten Käfige auf dem Boden, in denen die Kolibris
schliefen. Bertha wusste, dass irgendetwas nicht stimmte; der Mann hatte etwas
zu sagen, für das er keine Worte fand. Sie sollte ihm zu Hilfe kommen, ihm die
Frage stellen, die ihm ermöglichen würde zu sagen, was ihn beschäftigte, aber
es überkam sie ein seltsamer Widerwille. Sie wollte, dass ihre Mutter weiter
ihren blauweiß gestreiften Rock trug, warm und lieb und unversehrt war.
    Aus dem
Raum hinter ihnen war ein Krachen zu hören, und die Kolibris rührten sich, ihre
kurzen nutzlosen Flügelschläge klangen wie Seufzer.
    «Welche
Farbe haben sie dieses Mal?», fragte Bertha, dankbar für die Ablenkung.
    «Ich sollte
sie alle golden färben. War gar nicht einfach. Kolibris mögen es nicht, wenn
sie angemalt werden; einige geben einfach auf, legen sich hin und fliegen nicht
mehr.»
    Bertha ging
in die Hocke und hob das Tuch ein wenig an. Sie sah ein Schimmern in der
Dunkelheit. Wenn sich die Gäste um Mitternacht zum Dinner niederließen, würden
die Kolibris im Wintergarten freigelassen werden, wie goldener Regen. Sie
würden vielleicht ganze zehn Minuten lang das Gesprächsthema im Saal sein; die
jungen Männer würden versuchen, sie zu fangen, um die Mädchen, denen sie den
Hof machten, zu beeindrucken. Die anderen Gastgeberinnen Newports würden ein
bisschen erbittert denken, dass Nancy Cash vor gar nichts haltmachte, um
Eindruck zu schinden, und am Morgen würden die Dienstmädchen die winzigen
goldenen Körper zu einem Haufen zusammenfegen.
    «Hat Mama
Ihnen noch etwas gesagt, Samuel? Stimmt
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