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Daisy Goodwin

Daisy Goodwin

Titel: Daisy Goodwin
Autoren: Eine englische Liebe
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fünfzig Dollar gebe?» Cora lächelte lockend,
als biete sie einem Kind eine Süßigkeit an.
    Bertha dachte darüber nach. Fünfzig
Dollar waren mehr als ein Monatslohn. Aber es war trotzdem nicht richtig, eine
Frau zu küssen.
    «Ich denke nicht, dass Sie mich das
fragen sollten, Miss Cora, es ziemt sich einfach nicht.» Bertha versuchte, so
zu klingen wie die gnädige Frau; sie wusste, dass Mrs. Cash der einzige Mensch
auf der Welt war, vor dem Cora Angst hatte. Aber Cora war nicht abzuschrecken.
    «Entschuldigen Sie, Miss Cora, aber
das möchte ich nicht wissen. Wenn die gnädige Frau herausfinden würde, was Sie
vorhaben ...»
    «Das wird sie nicht, oder vielmehr,
das wird sie, aber dann wird es schon zu spät sein. Nach heute Abend wird alles
anders sein als vorher.» Sie sah das Mädchen von der Seite an, als wollte sie
sie herausfordern, mehr zu erfragen. Aber da war nichts zu machen. Solange
Bertha keine Fragen stellte, würde sie später auch keine beantworten können.
Sie bemühte sich, teilnahmslos auszusehen.
    Aber Cora hatte bereits das
Interesse an ihr verloren. Sie betrachtete sich selbst in dem langen
Standspiegel mit dem vergoldeten Rahmen. Sobald sie sich geküsst haben würden,
da war sie sicher, würde sich alles andere ergeben. Sie würden ihre Verlobung
bekannt geben, und an Weihnachten wäre sie bereits eine verheiratete Frau.
    «Du kümmerst dich jetzt besser um
mein Kostüm, Bertha. Mutter wird jeden Moment hier sein und kontrollieren, ob
ich ihre Anweisungen befolgt habe, à lalettre. Ich kann nicht glauben,
dass ich etwas so vollkommen Scheußliches tragen soll. Aber Martha Van Der
Leyden hat mir erzählt, ihre Mutter verlangt, dass sie sich wie ein puritanisches
Mädchen kleidet, es könnte also offenbar schlimmer sein.»
    Coras Kleid
war dem Velazquez-Gemälde einer spanischen Infantin nachempfunden worden, das
Mrs. Cash gekauft hatte, weil ihr zu Ohren gekommen war, wie sehr Mrs. Astor
es bewunderte.
    Als Bertha
den aufwendig verarbeiteten Reifrock aus dem Wandschrank holte, fragte sie
sich, ob die gnädige Frau das Kleid ihrer Tochter nicht auch deshalb ausgewählt
hatte, weil es die Bewegungen seiner Trägerin sehr einschränkte. Kein Gentleman
würde näher als bis auf drei Fuß an Miss Cora herankommen können. Die Lektion
im Küssen würde umsonst gewesen sein.
    Sie half Cora aus ihrem
Nachmittagskleid und in den Reifrock. Cora musste hineinsteigen, und Bertha
mühte sich ihn zu verschließen, als schließe sie ein schweres Tor. Der
Seidenbrokat für den Rock und das Mieder war eigens in Lyon gewebt worden. Der
Stoff war schwer, und Cora schwankte leicht unter dem Gewicht. Sie würde bei
der kleinsten Behinderung das Gleichgewicht verlieren. Das Kleid war drei Fuß breit,
Cora würde also durch alle Türen seitwärtsgehen müssen. In so einem Kleid
Walzer zu tanzen würde unmöglich sein.
    Bertha kniete sich nieder und half
Cora in die Brokatschuhe mit hohen Louis-Absätzen und nach oben gewandten
Zehen. Cora taumelte.
    «Die kann ich nicht tragen, Bertha,
ich falle hin. Hol stattdessen die bronzefarbenen Schuhe.»
    «Wenn Sie sicher sind, Miss Cora
...», sagte Bertha vorsichtig.
    «Meine Mutter erwartet heute Abend
achthundert Gäste», sagte Cora. «Ich bezweifle, dass sie Zeit haben wird, meine
Füße zu inspizieren. Hol die Schuhe.»
    Aber Cora klang mutiger, als sie
sich fühlte; beide Mädchen wussten, dass der gnädigen Frau nie irgendetwas entging.
    Mrs. Cash überprüfte ein letztes Mal ihr
Kostüm. Ihr Hals und ihre Ohren waren noch bloß, nicht aus Gründen der Strenge,
sondern weil sie wusste, dass ihr Mann jeden Moment mit einem kleinen Etwas hereinkommen würde, das angelegt und bewundert werden wollte. Winthrop war
in letzter Zeit häufig in der Stadt gewesen, und das bedeutete, dass
ein kleines Etwas fällig war. Einige ihrer Zeitgenossinnen hatten die
Untreue ihrer Ehemänner dazu genutzt, sich ihre Freiheit zu erkaufen, aber Mrs.
Cash, die die letzten fünf Jahre damit verbracht hatte, Cashs Feinstes Mehl von ihren Röcken zu schütteln, hatte nicht das Bedürfnis, ihren hart
erkämpften Ruf als eleganteste Gastgeberin von Newport und der Fifth Avenue
durch so etwas Schäbiges wie eine Scheidung zu gefährden. Solange Winthrop
diskret blieb, war sie bereit vorzugeben, nichts von seiner Leidenschaft für
die Oper zu wissen.
    Es hatte allerdings eine Zeit
gegeben, zu der sie nicht so heiter gewesen war. Zu Beginn ihrer Ehe hatte sie
es kaum ertragen, ihn aus den
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