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Daisy Goodwin

Daisy Goodwin

Titel: Daisy Goodwin
Autoren: Eine englische Liebe
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nahm die Karte heraus und zerriss sie in so viele Teile wie
möglich. Sie klopfte an der Tür und ging hinein, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Im Raum war
es dunkel, aber Cora sah vor dem Fenster, durch das der Mond leuchtete,
Charlottes Silhouette. Offensichtlich erwartete sie jemanden, denn sie drehte
sich hoffnungsvoll um, als Cora hereinkam, die Arme zur Begrüßung
ausgestreckt. Als sie einen Schritt vortrat ins Mondlicht, konnte Cora sehen,
dass sie ein silbriges Nachthemd trug und darüber einen weißen, weichen Umhang.
Mit den blonden Haaren, die ihr über den Rücken fielen, sah sie aus wie eine
Wassernymphe, ätherisch und flüchtig.
    Cora
entzündete mit ihrer Kerze die Gaslampe auf dem Tisch und drehte den Docht
hoch, sodass die goldene Flamme Charlottes schimmernde Aura zum Verschwinden
brachte. Sie wollte Charlotte richtig sehen. Als sie Freundinnen gewesen
waren, hatte Cora sich an Charlottes Eleganz und Schönheit erfreut, so wie sie
sich an ihrem Vollblut Lincoln erfreute oder an Amor und Psyche im Gartenhaus.
Charlotte war zweifellos die attraktivste Frau in Coras Kreis. Zu viele Engländerinnen
hatten etwas Grobes, wie vom Wetter gegerbt, aber Lady Beauchamp hatte eine Haut
so weich und wächsern wie eine Orchidee. Nie war es Cora bislang in den Sinn
gekommen, Charlotte um ihre Haltung oder ihre perfekte Kleidung zu beneiden,
doch jetzt betrachtete sie sie nicht als Freundin, sondern als Rivalin.
Charlotte war fünf Jahre älter als Cora, aber die Jahre hatten ihrem Gesicht
nur mehr Charakter verliehen. Sie waren ungefähr gleich groß, Cora wusste
jedoch, dass Charlotte trotz der vielen Nachmittage, die sie selbst im
Wirbelsäulenstraffer zugebracht hatte, die Elegantere war. Als Charlotte durch
das Zimmer ging, waren ihre Bewegungen so fließend, als würde sie gleiten. Sie
sieht viel eher aus wie eine Herzogin als ich, dachte Cora
ärgerlich.
    Charlotte, die schweigend
dagestanden hatte, versuchte sich zu fassen und ihre Überraschung, statt des
erwarteten Besuchers Cora zu sehen, zu verbergen. «Ich bin so froh, dass es
Ihnen bessergeht, Cora. Ich habe gehört, dass Sie sich mit Migräne ins Bett
gelegt haben. Ich wollte Ihnen ein cachet fièvre bringen – ich habe
welche aus Paris schicken lassen, weil sie das Einzige sind, was wirkt, aber
ich dachte, Sie würden schlafen.» Sie sprach auf ihre übliche gedehnte, angenehme
Weise, doch ihre Hände zupften an dem weißen, weichen Stoff, der ihren Umhang
zierte.
    Cora streckte die Hand aus, in der
die Perle lag. «Ich glaube, die gehört Ihnen.»
    Charlotte sah Cora kurz an. Dann
nahm sie die Perle aus ihrer Hand. «Ich dachte doch, dass eine fehlte. Ich war
mir jedoch nicht sicher.» Sie legte den Kopf schräg. «Sie tragen Ihre Kette gar
nicht, Cora. Ich hoffe, es hat Sie nicht verärgert», und sie lächelte – ein
übertriebenes Lächeln, bei dem ihre Grübchen zu sehen waren.
    Cora wollte etwas sagen, aber der
Anblick von Charlottes Grübchen machte sie stumm vor Wut.
    Charlotte wies auf Cora. «Jetzt
wissen Sie also, wie es ist, ein Duplikat zu sein.» Sie lachte kurz auf. «Wissen
Sie, wie selten Perlen dieser Größe und Farbe sind? Weiß Gott, wie Ivo es
geschafft hat, eine zweite Kette zu bekommen.»
    Cora sagte fast zu sich selbst: «Ich
kann nicht glauben, dass ich das nicht gemerkt habe. Ich war so dumm.»
    Charlotte ignorierte sie. Sie ging
im Zimmer auf und ab; trotz ihrer Erregung wirkten ihre Bewegungen noch geschmeidig.
«Ich sollte sie tragen, wenn wir getrennt waren, um mich an ihn zu erinnern.
Ich habe nie verstanden, warum er Ihnen auch Perlen geschenkt hat. Wollte er
mich quälen? Er weiß, wie man grausam ist. Er hat mir nie verziehen, dass ich
Odo geheiratet habe, obwohl er wusste, dass ich keine Wahl hatte, obwohl er
wusste, was für ein Mann Odo ist.» Charlotte atmete tief ein. «Und dann sind
Sie aus dem Nichts aufgetaucht. Eine Amerikanerin, die nichts wusste und
nichts verstanden hat. Erst dachte ich, er macht es wegen Ihres Geldes, aber
als ich in Conyers gesehen habe, dass Sie schwarze Perlen tragen, wurde mir
klar, dass er mich bestrafen wollte. Ich habe mich gerächt, ich habe Sie
Louvain vorgestellt. Ich wusste, dass Sie genau die hübsche, verwöhnte Kreatur
sind, die Louvain unwiderstehlich finden würde. Ich wusste, dass Ivo zu mir
zurückkommen würde, sobald er Sie so sieht, wie Sie wirklich sind.» Sie wandte
sich Cora zu, lächelte wieder und zeigte dabei ihre kleinen weißen Zähne.
    Cora hatte
das
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