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Dämonenherz

Dämonenherz

Titel: Dämonenherz
Autoren: Julia Talbot
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der Turnhalle am Stufenbarren erwischt hatte. Angeblich hatte sie dem angehenden Lehrer das Überhocken mit anschließendem Vorspreizen in halber Drehung gezeigt, in aller Unschuld natürlich, wofür der lerneifrige junge Mann entlassen wurde und Sandy ihr Zeugnis erst zwei Wochen später per Post erhielt. An den Skandal erinnerte sich Anna heute noch. Und an Sandys hintergründiges Lächeln, als sie an der tuschelnden Menge vorbei hocherhobenen Hauptes, mit nur leicht verrutschtem Rock, davongeschwebt war.
    Wie machte sie das bloß? Warum katapultierten die gleichen Dinge die einen in den Abgrund der Ächtung und die anderen immerwieder nach oben? Sehr weit nach oben, musste Anna sich eingestehen, denn die Galerie wie auch ihre Eigentümerin strahlten gleichermaßen dezenten Wohlstand aus.
    Sandrine musste Annas Unsicherheit gespürt haben, denn sie strich sich nun mit einer eleganten Bewegung die seidig schimmernden Haare aus dem Gesicht und klimperte dabei dezent mit schätzungsweise drei Kilo Gold an ihren Handgelenken.
    »Wie gefällt dir meine neue Galerie?«
    »Sehr schön«, antwortete Anna. »Eine hervorragende Lage.«
    Die Räume waren fast vier Meter hoch und strahlend weiß. Von der Mitte der stuckverzierten Decke schwebte ein Kronleuchter, der ohne Probleme eine zwölfköpfige Tischgruppe auf ein Mal erschlagen konnte. Sandrine hakte sich bei Anna unter.
    »Komm mit. Das hier ist erst der Anfang. Du glaubst ja nicht, was mich der Umbau gekostet hat!«
    Es interessiert mich nicht, wollte Anna sagen, verschluckte den Satz aber gerade noch rechtzeitig. Es ging hier um einen Job. Um DEN Job. Der ihren Kopf vielleicht noch aus der Schlinge ziehen konnte. Sandrine zog sie durch die Räume, vorbei an den Bildern eines zweifellos hochbegabten Künstlers, der neben Schweinen wohl auch noch Hühner, Katzen und Kühe auf seinen Leinwänden gemetzelt hatte. Schließlich landeten sie in einem eleganten Büro, in dem nur vier Umzugskartons an der Wand daran erinnerten, dass Sandrine noch nicht lange in der Stadt war und sich nach zahlreichen internationalen Aktivitäten ausgerechnet in dem zwar eleganten, aber doch etwas beschaulichen Wiesbaden ein neues Standbein aufbauen wollte. So hatte sie sich zumindest am Telefon ausgedrückt. Anna hatte jede Nachfrage vermieden, wieso Sandrine plötzlich moderne Kunst mochte. Geschweige denn verstand. In der Schule war ihre einzige Leidenschaft die Mathematik gewesen – und der Stufenbarren.
    Auf dem Tisch lag das Konzept, an dem Anna eine Woche wie eine Besessene gearbeitet hatte. Sie hatte den Schwerpunkt auf die Pressearbeit gelegt und die weiteren Punkte detailliert auf gelistet.Galerien waren zwar nicht gerade Annas Königsdisziplin, aber bei Werbung und Public Relations machte es wenig Unterschiede, ob man blutbesudelte Leinwände oder Wurzelbürsten verkaufte. Zum Schluss war sie sehr zufrieden gewesen. Mit diesem Masterplan würden Sandrines Aktivitäten innerhalb kürzester Zeit in aller Munde sein.
    »Ich will, dass jeder weiß, dass ich wieder hier bin. Jeder, der im Umkreis von zweihundert Kilometern von Interesse und Relevanz sein kann. Schaffst du das?«
    »Klar«, hatte Anna gelogen.
    Den Kostenvoranschlag hatte sie separat dazugelegt.
    Sandrine nahm hinter dem Schreibtisch Platz und nötigte Anna mit einer Handbewegung auf einen instabil wirkenden, dafür aber höchst modern aussehenden Stuhl ihr gegenüber. Dann zog sie die Mappe zu sich heran.
    »Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll. Das ist alles absolut perfekt. Wunderbar! – Wie geht es dir?«
    »Sehr gut«, antwortete Anna.
    Man musste seinen rettenden Strohhalm ja nicht gleich mit zu viel Gewicht belasten.
    »Das dachte ich mir. Unglaublich. Da gehen wir auf dieselbe Schule, sehen uns jahrelang nicht, und dann – bin ich Galeristin und du eine erfolgreiche PR-Agentin. Dass du überhaupt Zeit für mich gefunden hast, für eine alte Freundin …«
    Sandrine strahlte Anna mit ihrem alten »Ich wickle jeden um den Finger«-Lächeln an. Damit hatte sie schon immer bekommen, was sie wollte: eine bessere Note, Befreiung vom Schulsport und den Platz neben dem Jungen, in den alle Mädchen verliebt waren. Und da sie keine Freundinnen, sondern nur Untergebene um sich herum geduldet hatte, fragte sich Anna langsam, was diese Charme-Offensive zu bedeuten hatte.
    Sandrine schlug die Mappe auf und warf einen flüchtigen Blick hinein.
    »Absolute Profi-Arbeit. Das hätte meine New Yorker Agentur nicht besser
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