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Dämonenherz

Dämonenherz

Titel: Dämonenherz
Autoren: Julia Talbot
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er sich fotografieren lässt.«
    Anna betrachtete das Porträt erneut. Das also war der berühmte Carl Weller, auf den sogar Sandrine scharf war. Warum lud sie ihn nicht persönlich ein, wenn sie ihn kannte? Dann fiel ihr auf, dass er nicht so aussah, als ob ihm Sandys Vereinnahmung recht wäre. Es war eine Momentaufnahme, und wenn man genau hinsah, konnte man eine kleine Unmutsfalte zwischen seinen Augenbrauen entdecken. Er wirkte sportlich und unglaublich attraktiv. Er musste groß sein, denn er überragte Sandy-Sandrine fast um Haupteslänge. Gleichzeitig signalisierte seine ganze Körperhaltung: Kommt mir nicht zu nahe. Anna konnte den Blick nicht von ihm nehmen. Carl Weller war ein Mann. Ein so außergewöhnlicher Mann, dass schon der Anblick des Fotos eine kleine heiße Welle durch ihren Körper jagte. Schnell legte sie die Zeitschrift weg, allerdings so, dass das Foto immer noch sichtbar war.
    »Welche Entscheidung?«, fragte sie und deutete auf die Bildunterzeile.
    Ihre Freundin lächelte. »Wenn du ab und zu einmal den Wirtschaftsteil der Zeitung lesen würdest, dann wüsstest du, dass er ziemlich selten bei solchen Anlässen zu sehen ist. Er zieht lieber die Fäden im Hintergrund. Carl Weller ist Großaktionär, Geldmarkthasardeur, Heuschrecke, gnadenloser Profiteur der Finanzkrise. Wenn jemand mal eine gute PR bräuchte, dann er. Niemand weiß Genaues über ihn. Nur dass er die Finanzmärkte rockt, das ist sicher. Sein Einfluss ist legendär. Die Mächtigen dieser Welt fressen ihm aus der Hand. Er kauft und verkauft ohneRücksicht auf Verluste. Fachgebiet stille Konsortien. Und genau das wird morgen sein Problem sein.«
    »Warum braucht er eine gute PR?«
    »Weil er sich im Moment auf den Rohstoffmärkten breitmacht und ein Unternehmen nach dem anderen frisst. Es wird gemunkelt, dass er ein Strohmann der Russen ist, die sich nicht mehr länger mit der Rolle der Lieferanten zufriedengeben wollen. Darüber hinaus baut er heimlich, still und leise seine Macht im Bereich der Medien aus. Er hat Beteiligungen an einer Vielzahl internationaler Verlage und streckt gerade seine Hände in Richtung Sky News aus, dem Nachrichtensender. Die Belegschaft will morgen am Rand des Wirtschaftsgipfels dagegen demonstrieren.«
    Anna interessierte sich nicht sehr für Wirtschaft. Aber mehrmals im Jahr wurde das beschauliche Wiesbaden vom Glanz der großen internationalen Kongresse beschienen.
    »Woher weißt du das alles?«
    Vicky deutete mit ihrem Kaffeelöffel auf einen Vorgang, der sich gerade hinter Annas Rücken abspielen musste. Sie drehte sich um und sah, dass der gesamte Park bereits weiträumig abgesperrt war. Weiter vorne leiteten Streifenpolizisten den Verkehr um. Einige Polizisten auf schweren Motorrädern postierten sich links und rechts der Zufahrtswege. Jetzt erinnerte sich Anna daran, dass bereits am Morgen im Radio vor Verkehrsbehinderungen gewarnt worden war.
    »Der Wirtschaftsgipfel? Sandrine hat ihn erwähnt.«
    »Angeblich soll sogar der stellvertretende russische Außenminister kommen. Das könnte das Empfangskomitee sein.«
    Mehrere schwarze Limousinen rollten leise über die mit Kies bestreute Auffahrt zum Kurpark Grand Hotel. Livrierte Pagen eilten die Treppe hinunter und öffneten die Wagentüren. Sicherheitsbeamte sprangen heraus und checkten mit schnellen Blicken die Umgebung, auch das Kurpark-Café auf der anderen Seite des Geländes, das fast verborgen hinter Rosenbüschen und Fliederbäumen lag.
    Einweiterer Wagen rollte vor. Aus ihm stiegen zwei Männer, schüttelten sich kurz zum Abschied die Hand und trennten sich. Der eine ging zielstrebig auf den Hoteleingang zu, der andere blickte sich um, holte ein Handy hervor und begann zu telefonieren.
    »Das …« Aufgeregt deutete Vicky auf die Zeitschrift, »das ist er!«
    Anna hatte ihn im gleichen Moment erkannt. Selbst auf diese Entfernung hin war seine Ausstrahlung körperlich zu spüren. Er hatte ihnen den Rücken zugedreht. Sein dunkler Anzug passte wie angegossen, seine Statur war schlank und hochgewachsen, die Körperhaltung bestimmt vom aufmerksamen Selbstbewusstsein eines Mannes, der gelernt hatte, sich auf dem internationalen Parkett zu behaupten. Plötzlich drehte er sich um. Er schaute, das Handy am Ohr, durch den Vorhang des Springbrunnens hindurch hinüber zu dem Café. Es war, als ob sein Blick direkt auf Anna fallen würde. Ihr Puls begann zu rasen. Das ist unmöglich, dachte sie. Eine Täuschung. Er kann mich gar nicht sehen. Ich bin
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