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Dämonenherz

Dämonenherz

Titel: Dämonenherz
Autoren: Julia Talbot
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gemacht. – Warst du schon mal in New York?«
    »Nein.«
    »Chicago? Boston? Salt Lake City?«
    Sie beugte sich vor und musterte Anna mit einem unergründlichen Blick aus ihren grünen Augen. Diese zuckte hilflos mit den Schultern.
    »Weißt du eigentlich, wer ich bin?«
    Anna hatte das Gefühl, dass ihr Gegenüber eine Antwort erwartete. Aber welche? Sandy, die Stufenbarrenmeisterin? Sandrine, die Galeristin? Mrs Beaufort, die –
    » Was ich bin?«
    Internationale Celebrity. Charity-Lady. Haus in den Hamptons, Loft in L. A. Hat wohl auch ein Händchen im Finanzmarkt. Anna erinnerte sich, dass sie Sandrines Bild einmal in der Financial Times gesehen hatte. Es musste in einem Zug gewesen sein, der Mann trug die typische Kleidung eines Bankers und benahm sich auch so. Hochnäsig und unfreundlich hatte er ihr Platz gemacht und sie sogar noch nach ihrer Reservierung gefragt. Dann hatte er die Zeitung als Paravent zwischen sich und seiner Sitznachbarin benutzt. Sandrines selbstbewusstes Lächeln auf einer körnigen Schwarzweißfotografie hatte sie lange verfolgt.
    »Du bist ziemlich reich, nehme ich an.« Vielleicht war es das, was Sandrine hören wollte. Manche Menschen wollten in erster Linie für ihren Besitz geachtet werden.
    »Ziemlich reich ist gut.« Offenbar hatte ihre eventuelle Chefin selten etwas Amüsanteres gehört. Sie zog die schmalen Augenbrauen nach oben und lächelte in genau dieser hinterhältigen Art, mit der sie bereits den armen Sportlehrer ins Unglück gestürzt hatte. Anna fühlte sich unbehaglich. Am liebsten wäre sie aufgestanden und gegangen.
    »Ich habe nicht so viele Kontakte in die Vereinigten Staaten.«
    Genauer gesagt: Anna hatte gar keine. Dennoch war Sandrine Beauforts Aufstieg in die Welt der Reichen und Berühmten auch an ihr nicht ganz vorbeigegangen. Ihre Klassenkameradin war die Einzige, die sie kannte, der das gelungen war.
    »Dasmusst du ändern.« Sandrine überflog noch einmal das Konzept, während sie weitersprach. »Amerika ist das Land der Zukunft. Ich brauche immer fähige Leute, die wissen, worauf es ankommt. Frauen wie dich. Kompetenz und Dienstleistungsbereitschaft.«
    Also schuften und den Mund halten, ergänzte Anna und parierte Sandrines doppeldeutiges Lob mit einem bescheidenen Kopfnicken. Diese schob die Blätter zusammen, stauchte sie zu einem ordentlichen Stapel und verfrachtete sie in eine Schublade.
    »Wir brauchen nur noch eine Liste der VIPs, die ich auf meine erste Vernissage einladen sollte. Du weißt schon: die A-Prominenz, wer gerade hip ist und so weiter. Telefonnummern, E-Mail-Adressen, Anschriften. Und den Presseverteiler. Kennst du Carl Weller? Er soll in der Stadt sein.«
    Anna öffnete den Mund und klappte ihn wieder zu. Carl Weller war eine Nummer, die man selbst durch intensivstes Studium der Financial Times nicht kennenlernte. Er war so ziemlich das größte Chamäleon der globalen Marktwirtschaft.
    »Hier?«, fragte sie.
    »Nicht unter meinem Schreibtisch. Auf dem Wirtschaftsgipfel morgen. Ich dachte, ihr wärt euch schon mal über den Weg gelaufen. Er sitzt unter anderem auch in Frankfurt.«
    Anna war klar, dass Sandrine mit dem letzten Satz nicht das Gefängnis meinte. Obwohl das im Zusammenhang mit diesem Namen wohl gar nicht so abwegig war. Carl Weller, Shanghai, London, Moskau, Zürich. Und seit neuestem offenbar auch Frankfurt. Dort hatte er seine Firmensitze, zumindest die, von denen die Öffentlichkeit wusste. Anna hatte nicht viel Ahnung von Wirtschaft, aber Weller schien so etwas wie der bad boy der Finanzmärkte zu sein.
    »Ich schicke ihm eine Einladung.«
    Wenn sie gewusst hätte, in welcher Liga Sandrine spielen wollte, hätte sie gleich noch den Bundespräsidenten auf ihre Liste gesetzt. Sie fragte sich, warum Sandrine für eine solche Kampagneausgerechnet eine kleine ortsansässige Agentur beauftragt hatte. Sie fühlte sich schon jetzt der ganzen Aufgabe nicht gewachsen.
    »Das kann ich dir sagen.«
    Hatte Anna laut gedacht, oder wie kam Sandrine darauf, dass sie sich genau in diesem Moment wieder so schrecklich unterlegen fühlte?
    »Ich erinnere mich sehr gut an unsere gemeinsame Schulzeit. Du warst immer fleißig und brav. Tugenden, die ich erst später schätzen lernte. Bei anderen, nicht bei mir«, setzte sie mit einem kleinen, boshaften Lachen hinzu. »Wann immer man seinen angestammten Platz verlässt, um woanders neu anzufangen, sollte man sich nur mit Menschen umgeben, auf die man sich verlassen kann.«
    Alle
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