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Daemonen in London

Daemonen in London

Titel: Daemonen in London
Autoren: Nathan R. Corwyn
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fühlen
können – und ihren Hunger.

    *

    Jetzt
schmerzten nicht nur Tillys Füße, auch ihre Blase machte
ihr zunehmend zu schaffen. Sie hätte sich beim Champagner
eindeutig zurückhalten sollen, doch wann hatte man sonst schon
die Gelegenheit, auf Kosten anderer das teure Getränk ohne
Mengenbeschränkung in sich hineinschütten zu können?
    Außerdem
hatte sie ja irgendeine Beschäftigung gebraucht, nachdem Jeremy
den ganzen Abend nichts anderes im Sinn gehabt hatte, als seine
Geschäftskontakte zu vertiefen. Und auf dicke Hintern zu
starren.
    Von
den Gesprächen, die er mit den anwesenden Kollegen und möglichen
Kunden geführt hatte, hatte Tilly sowieso kein Wort verstanden.
Also war sie freundlich lächelnd daneben gestanden und hatte
beim vorbeiziehenden Personal unermüdlich ein leeres Glas gegen
ein volles ausgetauscht.
    Auf
diese Art und Weise hatte sie wenigstens die ganze Zeit etwas in der
Hand gehabt. Und konnte, während sie einen Schluck oder auch
mehrere nahm, mit sexy Augenaufschlag über den Rand des Glases
hinweg das jeweilige Gegenüber vielversprechend anblicken -
vorausgesetzt es war männlich.
    Jeremy
hatte ihr mehrfach eingeschärft, dass sie beim flirten nicht
zimperlich sein und ruhig ihre Vorzüge einsetzen durfte –
denn das wäre ihm sicherlich von Nutzen.
    Psychologische
Kriegsführung sozusagen.
    Nun,
das hatte sie brav den ganzen Abend getan – und nun musste sie
aufs Klo, und zwar so schnell wie möglich.
    Ein
wenig ängstlich blickte sie sich um. Seit sie und Jeremy in den
Park abgebogen waren, hatten sie geschwiegen. Tilly aus Angst, dass
der Schluckauf (der sich bereits seit ein paar Minuten ankündigte)
endgültig zum Ausbruch kommen könnte – dann würde
sie minutenlang kein vernünftiges Wort mehr herausbringen. Und
Jeremy, weil er sich schon wieder mit seinem bescheuerten Smartphone
beschäftigte und irgendwelche Informationen im Internet
abfragte.
    Wahrscheinlich
die neuesten Börsenberichte, dachte Tilly boshaft. Denn wenn
Mister Jeremy Reeves die Kurse nicht in jeder wachen Minuten im Auge
behielt, dann gerieten sie bestimmt völlig außer
Kontrolle.
    Sie
musste allerdings zugeben, dass das sanft schimmernde Licht des
Displays ein wenig beruhigend auf sie wirkte. Die Dunkelheit um sie
herum war unheimlich – und die zunehmende Stille ebenfalls.
Hatte Tilly sich vorhin noch gewünscht, dass es endlich ein
wenig leiser wäre, so empfand sie gerade das jetzt eher als
bedrohlich. Hier, mitten im finsteren Gelände, hätte der
lebendige Lärm einer ordentlichen Party ziemlich tröstlich
gewirkt.
    Doch
so, fiel ihr auf, war jeder ihrer Schritte überdeutlich zu
vernehmen. Jeremys elegante Lederschuhe knirschten laut und
gleichmäßig, wohingegen Tillys Mörderpumps eine
schnelle Folge von Klicks von sich gaben – und hin und wieder
ein schlurfendes Geräusch, wenn sie stolperte. Was leider doch
das eine oder andere Mal passierte und Jeremy jedes Mal dazu
veranlasste, sie prüfend und leicht gereizt anzusehen.
    Wenigstens
sagte er nichts und ersparte ihr somit eine Diskussion. Als er vor
einigen Tagen unerwartet früh von der Arbeit nachhause gekommen
war und sie mit einem frisch gefüllten Glas Prosecco in der
Küche erwischt hatte, war das Gespräch danach recht
unerfreulich gewesen.
    Jeremy
hatte so getan, als hätte er es bisher nicht bemerkt, dass Tilly
tagsüber ihren langweiligen Alltag ganz gerne mit einem –
oder auch zwei – Fläschchen des italienischen Schaumweins
aufhellte.
    Was
soll das?, hatte Tilly gedacht, als Jeremy aufgebracht auf sie
eingeredet hatte. Wenn er bisher nichts bemerkt hatte, wozu also die
Aufregung? Nur weil sie es dieses eine Mal nicht geschafft hatte, die
leeren Flaschen rechtzeitig vor seiner Heimkehr zu entsorgen? Was
hatte er denn geglaubt, wo ihre Fahne und der leicht unsichere Gang
jeden Abend herkamen? Etwa von dem bisschen Weißwein, den sie
zu seinem Feierabend immer gut gekühlt angeboten hatte? Wohl
kaum. Und wenn sie, wie er behauptete, tatsächlich so etwas wie
eine beginnende Alkoholikerin war, warum hatte er das denn nicht
schon früher bemerkt? Schließlich machte sie das bereits
seit mindestens zwei Jahren. Außerdem regte sie sich ja auch
nicht über seine Zigaretten auf.
    Tilly
seufzte – und prompt stellte sich der Schluckauf ein. Sie
presste die Lippen zusammen. Vielleicht würde sie dieses Jahr
wirklich ein wenig kürzer treten und sich eine sinnvolle
Beschäftigung zur Bekämpfung ihrer Langeweile
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