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Daemonen in London

Daemonen in London

Titel: Daemonen in London
Autoren: Nathan R. Corwyn
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Po, um die
letzten Tropfen auf diese Art und Weise abzuschütteln. Sie
wollte sich gerade nach oben stemmen, als sie hinter sich ein
Geräusch hörte. Es klang wie das überlaute Knurren
eines – nein mehrerer – Mägen!
    Entsetzt
drehte sie sich um. Und schlagartig waren ihr fehlende
Papiertaschentücher, lieblose Ehemänner, nervtötende
Smartphones und leere Nachmittage vollkommen egal. Sogar ihr
Schluckauf verschwand von einer Sekunde auf die andere.
    Vor
ihren ungläubigen Augen schälte sich aus dem Gebüsch,
vor dem sie sich gerade erleichtert hatte, das furchtbarste Wesen,
dass Tilly je gesehen hatte. Seine Statur erinnerte an die eines
riesigen Gorillas, nur dass es statt eines dichten Fells dunkelgrüne,
schuppige Haut besaß. Die Vorderpfoten endeten in
schreckenerregenden Klauen, die sogar hier – in der dunkelsten
Ecke des Parks – beklemmend scharf zu schimmern schienen. Doch
das Schlimmste war sein Kopf: Aus dem drohend geöffneten Maul
ragten ihr vier riesengroße Fangzähne entgegen, direkt
darüber blickten sie rotglühende Augen hungrig an. Der
Schädel des Monstrums war lang und spitz und in der Höhe
des Nackens sprossen unzählige Tentakel aus dem Hals des
Untiers, die Tilly verrückterweise an die Dreadlockmähnen
der Rastafaries aus der Innenstadt denken ließ – nur dass
dieses Wesen hier vor ihr ganz bestimmt nicht plante, mit ihr
friedlich eine Bong zu rauchen.
    Tilly
öffnete den Mund, um zu schreien, doch sie kam nicht mehr dazu.
Das Scheusal hob in erschütternder Lässigkeit seine rechte
Vorderpfote und eine seiner Klauen schob sich dadurch noch weiter
nach außen. Sie ragte nun wie eine kleine Sense hervor, blitzte
hell auf und wirkte wie das bizarre Werkzeug eines Gärtners aus
der Hölle.
    Das
Ungeheuer verharrte kurz, legte den Kopf schief und sah sie noch eine
Sekunde an - Tilly glaubte fast, so etwas wie Mitleid in seinem Blick
zu erkennen und leise Hoffnung regte sich in ihr –, doch dann
schlug es zu.

    *

    Jeremy
trat ungeduldig von einem Bein auf das andere. Wo blieb Tilly nur?
Ihm war kalt und er wollte nachhause.
    Angestrengt
starrte er in die Richtung, in der sie vor einer halben Ewigkeit
verschwunden war. So lange konnte doch kein Mensch pinkeln, nicht
einmal, wenn er vorher unzählige Gläser Champagner geleert
hatte!
    Er
überlegte kurz, ob er einfach weitergehen sollte. Sie kannte den
Weg und würde ihn auch alleine finden. Doch dann änderte er
seine Meinung. Der Anblick von Reginas weiblicher Üppigkeit auf
der Party heute hatte ihn heiß gemacht – und wenn er
Tilly jetzt einfach so hocken ließ, würde sie ihn nachher
ganz bestimmt nicht mehr an sich heranlassen.
    Um
der Liebe willen gab er also nach und stapfte auf die Wiese, hinein
in die Dunkelheit. Er war noch nicht weit gekommen, als er links von
sich ein Geräusch hörte. Das musste sie sein! Er
korrigierte seine Richtung und ging weiter, doch dann zögerte er
und hörte genauer hin. Was waren denn das für komische
Laute? Es klang einfach nur seltsam, ein schmatzendes Geräusch,
dann ein Reißen und Glucksen. Was in drei Teufels Namen tat
seine betrunkene Ehefrau da? Hatte sie sich mit ihren Klamotten
verheddert und versuchte nun freizukommen? Kaum vorstellbar, dass sie
mit ihrem hautengen Kostüm irgendwo hängen bleiben konnte.
Aber Tilly brachte selbst das fertig...
    Trotzdem
kam ihm die Sache komisch vor und etwas langsamer schritt er weiter.
Unvermittelt stieß er mit seinem Schuh gegen einen Gegenstand.
Er blieb stehen und starrte auf den Boden, aber es war zu dunkel, um
etwas sehen zu können. Er drehte das Display seines Smartphones
nach unten und beleuchtete das Hindernis.
    Als
Jeremy erkannte, um was es sich handelte, begann sein Verstand sich
langsam aber sicher von ihm zu verabschieden. Offensichtlich war er
gerade gegen Tillys Kopf getreten, auch wenn sein Gehirn das nicht so
recht realisieren wollte.
    Ihr
akkurat angemalter Mund, ihr sorgfältig aufgebrachtes Rouge, die
etwas zu stark geschminkten Augen, all das sah völlig normal
aus. Doch ein wenig weiter unten endete die Normalität –
genau wie Tilly. Wo eigentlich ihr Hals und ihr übriger Körper
sein sollte, da war nichts!
    Bei
dem … Ding da unten, das aussah wie der abmontierte Kopf einer
grausigen Schaufensterpuppe, handelte es sich eindeutig um den
vollkommen unversehrt wirkenden Schädel seiner Ehefrau –
doch der Rest ihres Körpers fehlte.
    Fassungslos
wanderte Jeremys Blick weiter nach vorne, in Richtung der
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