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Daddy Langbein

Daddy Langbein

Titel: Daddy Langbein
Autoren: Jean Webster
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Griggs.

    Ich hasse Deinen Sekretär. Ich bin sicher, daß ein Mann namens Elmer H. Griggs scheußlich sein muß. Aber ernstlich, Daddy. Ich glaube, ich muß nach Boston gehen. Ich kann nicht hierbleiben. Wenn nicht bald etwas passiert, werde ich mich aus lauter Verzweiflung in den Abgrund des Silos werfen.
    Ach, es ist so heiß. Das ganze Gras ist verbrannt, und alle Bäche sind ausgetrocknet, und die Wege voll Staub. Es hat seit Wochen und Wochen nicht geregnet.
    Dieser Brief klingt, als litte ich an krankhafter Scheu vor dem Wasser, aber das ist es nicht. Ich sehne mich nur nach etwas Familie.
    Adieu, liebster Daddy.

    Ich wollte, ich kennte Dich.
    Judy.

Lock Willow , 19. September.

    Lieber Daddy!

    Es ist etwas passiert, und ich brauche einen Rat. Ich brauche ihn von Dir und von sonst niemand auf der Welt. Wäre es nicht möglich, daß ich Dich sehe? Es ist so viel leichter zu reden als zu schreiben; und ich habe Angst, Dein Sekretär könnte den Brief aufmachen.
    Judy.

    P. S. Ich bin sehr unglücklich.

Lock Willow, 3. Oktober.

    Lieber Daddy-Langbein!

    Dein Briefchen in Deiner eigenen Handschrift — und eine recht wacklige Handschrift — kam heute morgen . Es tut mir so leid, daß Du krank warst. Ich hätte Dich nicht mit meinen Angelegenheiten belästigt, wenn ich es gewußt hätte. Ja, ich will Dir meinen Kummer erzählen, aber es ist zum Schreiben recht kompliziert, und sehr privat. Bitte hebe den Brief nicht auf, sondern verbrenne ihn.
    Bevor ich anfange -— hier ist ein Scheck über eintausend Dollar. Es wirkt komisch, nicht wahr, daß ich Dir einen Scheck schicke? Wo glaubst Du, daß ich ihn bekam?
    Ich habe mein Buch verkauft, Daddy. Es wird in Fortsetzungen in sieben Teilen veröffentlicht und dann als Buch! Du glaubst wohl, daß ich vor Freude verrückt bin, aber ich bin es nicht. Ich bin vollkommen apathisch. Natürlich bin ich froh, mit dem Rückzahlen anfangen zu können. Ich schulde Dir noch weitere zweitausend. Sie kommen in Raten. Jetzt sei bitte nicht häßlich mit dem Annehmen; denn es macht mich glücklich, es zurückzugeben. Ich schulde Dir sehr viel mehr als das bloße Geld, und den Rest werde ich mein ganzes Leben lang mit Dankbarkeit und Liebe bezahlen.
    Und nun, Daddy, die andere Sache. Bitte, gib mir Deinen welterfahrensten Rat, gleichgültig, ob Du glaubst, daß er mir gefällt oder nicht.
    Du weißt, daß ich immer ein ganz besonderes Gefühl für Dich hatte; Du hast sozusagen meine ganze Familie vorgestellt; aber Du hast doch nichts dagegen, wenn ich Dir sage, daß ich ein noch viel spezielleres Gefühl für einen anderen Mann habe? Du kannst wohl leicht erraten, wer es ist. Ich habe den Verdacht, daß meine Briefe schon lange sehr von Master Jervie erfüllt waren.
    Ich wollte, ich könnte Dir erklären, wie er ist, und wie vollkommen freundschaftlich wir zusammen sind. Wir denken über alles gleich — ich fürchte, ich habe die Neigung, meine Ideen den seinigen anzupassen! Aber er hat fast immer recht; das muß er ja auch, weißt Du, denn er ist mir um vierzehn Jahre voraus. In anderer Beziehung ist er aber nur wie ein zu schnell gewachsener Bub, er braucht jemand, der für ihn sorgt — er hat gar keinen Sinn für Gummischuhe, wenn es regnet. Er und ich finden immer dieselben Sachen komisch; und das bedeutet so viel; es ist schrecklich, wenn der Humor zweier Leute sich widerspricht. Ich glaube, das ist eine Kluft, die nicht zu überbrücken ist!
    Und er ist — ach! Er ist eben er selbst. Und ich vermisse und vermisse und vermisse ihn. Die ganze Welt scheint mir leer und schmerzhaft. Ich hasse den Mondschein, weil er so schön ist und er nicht hier ist, ihn mit mir zu sehen. Aber vielleicht hast Du auch jemand geliebt und weißt, wie es ist? Wenn ja, brauche ich es nicht zu erklären. Wenn nicht, hat es keinen Zweck, es zu beschreiben.
    Jedenfalls, so sind meine Gefühle — und ich habe mich geweigert, ihn zu heiraten.
    Ich habe ihm nicht gesagt ,» warum. Ich war nur stumm und unglücklich. Ich wußte nicht, was ich sagen könne. Und nun ist er fortgegangen und bildet sich ein, daß ich Jimmie McBride heiraten will — das will ich nicht im geringsten , ich würde gar nicht daran denken, Jimmie zu heiraten; er ist nicht erwachsen genug. Aber Master Jervie und ich gerieten in ein entsetzliches Durcheinander von Mißverständnissen, und wir haben uns gegenseitig weh getan. Ich schickte ihn nicht weg, weil ich ihn nicht gern habe, sondern weil ich ihn zu gern habe. Ich hatte
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