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Cyrion

Cyrion

Titel: Cyrion
Autoren: Tanith Lee
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halten.«
    Mareme zuckte zurück.
    »Bitte -«, sagte sie, aber sonst nichts, und das einzelne, kraftlose Wort fiel zwischen ihnen zu Boden wie eine sterbende Taube.
    »Nun zier dich nicht, Mareme.« Er wandte sich an Cyrion. »Diese verführerische Schönheit der Nacht ist nicht immer so zimperlich. Aber natürlich, sie liebt dich. Das hätte ich bedenken sollen, immerhin hat sie mir dieses Geheimnis anvertraut. Einst kam sie wegen eines Liebestrankes zu mir, als mein Ruf in Jebba noch ohne Makel war. Sie bekam ihren Trank nicht. Mit solch albernem Kleinkram gebe ich mich nicht ab. Dafür bekam sie etwas anderes. Um genau zu sein, sogar mehr, als sie eigentlich wollte. Oder vielleicht nicht, mein Liebling? Soll ich sprechen«, erkundigte sich Hasmun, »oder hast du mir etwas zu sagen?«
    Mareme schlug die Hände vors Gesicht.
    »Von Anfang an schien es mir doch ein recht glücklicher Zufall zu sein«, bemerkte Cyrion, »daß Hasmun der Apotheker die Schänke besuchte, als auch ich mich dort aufhielt.«
    »Glücklich und geplant. Sie gab mir Nachricht, daß du dort sein würdest. Und sie sorgte dafür, daß du nicht anders konntest, als dich mit mir anzulegen. Du konntest dem Köder nicht widerstehen, meinem Ruf. Deine Eitelkeit fühlte sich herausgefordert, Cyrion. So wie ich mich durch deinen Ruf herausgefordert fühlte. Schierer Neid. Du wolltest den bösen Hasmun und seine Puppen vernichten und allein in den Städten an der Küste herrschen. Nicht wahr, mein Schönster? Wie ich Cyrion vernichten will und werde.«
    Mareme wimmerte hinter ihren Händen hervor: »Er drohte mir, auch für mich eine Puppe anzufertigen und mich zu peinigen - ich hatte Angst. Ich konnte meiner Angst nicht Herr werden. Oh, Cyrion - ich liebe dich wie mein eigenes Leben, aber für dich sterben konnte ich nicht. Und ich schwöre, daß ich darauf vertraute, du würdest ihn überlisten. In Gottes Namen, ich schwöre, ich habe es geglaubt!«
    »Aber du vertrautest mir nicht genug, um mir die Wahrheit zu sagen«, sagte Cyrion, so zärtlich wie fein gesiebtes Gift.
    Mareme nahm wieder Zuflucht zu ihren Tränen.
    Hasmun ermahnte sie: »Weine Tränen aus Smaragd, wenn dir danach ist, Herzliebste. Aber sag mir, wo er die Puppe versteckt hat. Bedenke, ich kann dein Ebenbild immer noch anfertigen. So wie Cyrion habe ich auch dich gesehen. Ein Blick genügt. Mehr brauche ich nicht. Den Blick, das Wachs, den Zauber, die Nadel.«
    »Der Tiegel mit Kohl!« schrie Mareme, dann warf sie sich vor beiden Männern auf den Boden, vor dem dunklen und dem hellen und vergrub ihr Gesicht im Teppich.
    Hasmun trat, jeden Schritt genießend, an den Kosmetiktisch. Er griff nach dem Krug.
    »Solch außerordentlich schwarzer Kohl«, meinte Hasmun. »Oder doch nicht so schwarz, denn hier sehe ich ein Fleckchen Weiß.« Er kratzte an dem Inhalt des Kruges. »Und so hart für Kohl, so zäh, so schmierig für die Taubenaugen einer schönen Frau. Und es riecht auch nicht wie Kohl. Sollte es gar etwas anderes sein? Könnte es Teer sein, aus den Bootshäusern, frage ich mich. Den Kohl ausgeschüttet, den Teer erhitzt und hineingegossen. Dann die Wachsfigur in der abkühlenden Masse verborgen - nur der weiße Fleck einer wächsernen Fußsohle bleibt sichtbar. Und dieser Krug hier hat genau die richtige Größe für solch eine Puppe...«:
    Plötzlich schmetterte Hasmun den Krug auf das kleine Stück nackten Steinboden neben dem Kohlenbecken. Der durch die Hitze schon geschwächte Onyx zersprang. Hasmun löste den Klumpen Teer aus den beiden Hälften des Gefäßes und betrachtete ihn zärtlich.
    »Oh, mein Cyrion. Wie ungemein weise wärst du gewesen, hätte ich es nicht herausgefunden. Aber da ich es herausgefunden habe, bist du auch nicht weise. Kannst du dir vorstellen, was geschieht, wenn ich den Zauber spreche - alles, was der flüssige Teer deinem Wachsbild angetan hat, wirst auch du fühlen. Verbrannt, erstickt, geblendet. Tod in deiner Nase und deinem Mund. Ein schlimmeres Ende, als ich selbst dir zugedacht hatte. Möchtest du beten?«
    Immer noch ohne Anzeichen von Erregung fragte Cyrion: »Wie viel Zeit habe ich für meine Gebete?«
    »Ich habe mich entschlossen, gnädig zu sein«, erwiderte Hasmun. »Statt dich einen ganzen Tag lang Todesangst durchleben zu lassen, werde ich den Zauber sogleich sprechen.
    In wenigen Augenblicken beginnst du zu sterben.«
    Cyrion blickte zur Seite. Er schaute in den blauen Himmel hinter dem Fenster. Er sagte nichts.
    Mareme, die immer
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