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Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)

Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)

Titel: Cvon (Ushovar-Zyklus) (German Edition)
Autoren: Guido Krain
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Frauen Farbe ins Gesicht schmierten, aber eine solche Bemalung hat sie noch nie gesehen. Nur die grauen Augen kennt sie. Es sind gute Augen, aber sie braucht lange, bis sie das Mädchen erkennt, das sie beinahe erschlagen hat.
    Jetzt erst sieht sie, dass es unter der Decke nackt ist. Die Kleine ist so zerbrechlich ... so wehrlos. Unter der Todesangst in ihren Augen schimmert etwas Ungewöhnliches. Etwas, das Cvon nicht versteht, aber ihr kaltes Herz berührt.
    „Wer bist du?“ Ihre Stimme ist noch rauer als sonst. Sie ist sich fremd; vielleicht hat sie ihren Beschützer gefunden und sich verloren.
    „Ich heiße Mynora.“ Ihre Stimme ist belegt. Angst füllt den Raum mit ihrem Duft. Doch ihre Angst tut ... weh ? Was ist los?
    Das Schwert bleibt zum Schlag erhoben.
    „Warum hast du nichts an?“ Cvons Stimme klingt wie eine Anklage.
    Das Mädchen versteht sie nicht. Es schluckt tapfer. „Ich habe nur das Kleid“, meint es mit vorsichtigem Kopfnicken zu einem Lumpen, der neben seinem Lager liegt. „Wenn ich es auch in der Nacht trage, wärmt es draußen nicht.“ Die grauen Augen blicken aufrichtig. Sie fürchtet den Tod, aber sie lässt sich nicht einschüchtern.
    „Wo bin ich hier?“ Cvon schämt sich, sie zu verhören, aber sie hat keinen Grund, irgendwem zu trauen. Oder doch?
    „Du bist in meinem Zuhause.“ Noch immer hält Mynora die schäbige Decke wie einen Schild vor sich.
    „Warum?“
    „Weil ich keinen anderen Platz habe.“ Die Antwort ist seltsam; weckt Misstrauen.
    „Ich habe euch getötet.“ Die Erinnerung ist schemenhaft, aber sie ist sicher, dass die Toten nicht in einem Fiebertraum gefallen waren.
    „Du hast mich nicht getötet“, spricht sie zögerlich das Offensichtliche aus. Schweigen nistet endlose Momente zwischen ihnen. Cvon weiß nichts zu sagen.
    „Wirst du das jetzt tun?“
    Mynora ist mindestens ein Jahr jünger als sie, aber ihre Stimme zittert nicht. Tapfer erwartet sie ihr Urteil.
    Die Scham lässt Cvons Gesicht heiß werden. Endlich senkt sie das Schwert.
    „Nein.“ Cvon drückt ein ungewohntes Gefühl aus. Das ehrlichste Lächeln seit dem Tod ihrer Mutter antwortet ihr.
    „Dann solltest du entweder zurück ins Bett kommen, oder dir etwas anziehen.“
    Cvons Entsetzen ist wie Eiswasser. Sie ist genauso nackt und verletzlich wie Mynora! Fast panisch tritt sie hinter einen Stützpfeiler.
    Die grauen Augen scheinen zu verstehen. Sie sind viel zu weise für das Alter des Mädchens, in dessen Gesicht sie wohnen. Langsam steht Mynora auf und geht mit nackten Füßen über den eiskalten Steinboden zu ihr. Ohne ein Wort zu sagen, lässt sie die Decke über Cvons Schultern gleiten und legt sie um den sehnigen Körper, der eben noch das Schwert gegen sie erhoben hat. Cvon versteht nicht, warum sie das tut. Sie hat keinen Grund für Freundlichkeit. Die grauen Augen sehen sie lange an. Dann breitet Mynora die Arme aus und drückt die ehemalige Fremde mit all dem Trost, den sie zu geben in der Lage ist, an sich.
     

     
    „Was gibt es, Arlton?“ Die Stimme drang aus dem Halbdunkel eines Zimmers, in dem all die unfasslichen Schrecken der Alptraumwelt zu leben schienen. Wie eine Drohung hing eine Spur ihres Duftes im Raum. Es schien keinen Platz zu geben, den sie nicht mit ihrer Präsenz erfüllte; keine Luft, die für einen Sterblichen wie ihn übrig war.
    Vielleicht hatte er zu viel gewagt. Vielleicht hätte er sich doch wie all die Tage zuvor damit abfinden sollen, dass sie auf sein Klopfen nicht reagiert hatte. 
    „Es tut mir leid, wenn ich ungelegen komme, Gebieterin.“
    „Hör’ mit diesem ‚Gebieterin-Schwachsinn‘ auf!“, fauchte sie.
    „Es liegt mir fern Euch zu verärgern ...“, meinte er und wunderte sich selbst, dass seine Stimme nicht schwankte.
    „Was willst du?“ Ihre Stimme war tief, beinahe guttural. Noch immer konnte er nur einen Schatten im Halbdunkel erkennen.
    „Ihr seid jetzt beinahe eine Woche hier drin, ich dachte ...“
    „Du dachtest, ich würde es mögen, wenn du ungefragt in mein Reich eindringst?“ Ihre Aggressivität drang ihm bis ins Mark.
    „Ich hielt es für meine Pflicht, Gebieterin.“
    „Ich bin nicht deine Gebieterin!“ Ihr dünner Panzer aus Gelassenheit verdampfte an ihrem hochkochenden Zorn wie Schnee am Busen Loys. Unfasslicher Zorn ließ ihre dunkle Stimme beinahe schrill klingen. Wie von einer Ballista geschossen zersplitterte ein jahrhundertealter Tisch keine Armeslänge von ihm entfernt an der Wand. Arlton schluckte,
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