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Cut

Cut

Titel: Cut
Autoren: Merle Kroeger
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furchtbares Heimweh, doch sie biss die Zähne zusammen und schuf ihm inmitten von London ein Zuhause, das strikt nach den indischen Regeln funktionierte. Es gab Chapatis zum Lunch und Tee um fünf.
    Seine Kinder sprachen fließend Hindi. Sie wussten, wo sie hingehörten, ganz wie es seine Mutter vorausgesagt hatte.
    Anand schloss seine Zimmertür ab und ging am Aufzug vorbei. Wenn er die Treppe nahm, konnte er noch ein wenig Zeit gewinnen, bevor er Madita wieder gegenübertrat. Emmas Tochter. Eine erwachsene Frau. Sicher, sie war auch seine Tochter, darüber bestand kein Zweifel. Doch ihrer beider Leben waren so unterschiedlich, dass es besser war, ihr keine Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft zu machen.
    Aber das kam ja jetzt sowieso nicht mehr in Frage. Er fragte sich, wie sie reagieren würde.

80 Zuschauer
    Nick lief ein Stück hinter Mattie und ihrem Vater am Hafen entlang, um ihnen Zeit für ihre Unterhaltung zu geben.
    Wenigstens redeten sie jetzt miteinander. Natürlich hatte Kumar nach Emma gefragt, und Mattie war gerade dabei, ihm deren traurige Odyssee durch die Welt der Psychiatrie zu schildern. Nick hoffte, sie würde sich rechtzeitig an ihn erinnern, wenn sie so weit waren, sich über Hauser und die Ereignisse am Hafen zu unterhalten.
    Er fühlte sich deprimiert. Auch wenn die ganze Sache seine Idee gewesen war, am Ende war er doch nur der Zuschauer. Ein Gast im Leben der anderen. Ohne eigenen Willen.
    Mattie wollte ihr Kino, das wollte sie wirklich. Cal wollte Musik machen. Nick wollte DJ sein. Oder nicht. Oder Detektiv. Oder nicht. Oder ein Kino. Wenn nicht, auch kein Problem. Ein Mitläufer.
    Heftiges Selbstmitleid überkam ihn. Mattie hatte ihn wohl auch vergessen.
    »Nick! Wo bist du denn?« Ihre Stimme klang angespannt. Sie und Kumar waren stehen geblieben. »Nick!« Sie kam zu ihm zurückgelaufen. »Ich weiß jetzt, was damals passiert ist. Du musst mir helfen, ihn zu überreden, jetzt gleich mit uns zur Polizei zu gehen.«
    »Was soll ich machen?« In seinem Kopf drehte es sich. Immer musste Mattie so schnell reden, dass ihm schwindelig wurde. Sie waren jetzt bei Kumar angekommen, der am Wasser stand und sich nervös umsah.
    »Okay. Kurzversion. Also Emma und Anand sind spazieren gegangen. Hier irgendwo. Plötzlich hörten sie ein Geräusch. Zwei Männer kämpften miteinander im Wasser. Aber es kam nur einer wieder raus. Er rannte direkt in Emma rein. Verstehst du, Nick, das muss Hauser gewesen sein. Emma und Anand waren Zeugen, dass er Kher umgebracht hat. Und dann muss Hauser gemerkt haben, dass Emma genau wie er in Harmsdorf wohnte. Er hat sie jahrelang tyrannisiert, er ist ihr nasser Mann!« Mattie war so aufgeregt, dass sie deutsch geredet hatte.
    »Können Sie mir vielleicht sagen, worum es hier geht?«, mischte sich Kumar ein.
    Nick versuchte sich zu konzentrieren und die richtige Frage zu stellen. Vor ihnen stand der einzige Zeuge, den sie jemals haben würden. Wenn sie sein Vertrauen nicht gewinnen konnten, war es vorbei. »Sie haben also damals den Zwischenfall beobachtet? Und was haben Sie dann gemacht?«
    Kumar nickte. »Als ich zurück zum Schiff kam und die Nachricht erhielt, dass wir wegen eines Toten im Hafen nicht auslaufen dürften, habe ich mir schon gedacht, dass es etwas mit unserem Erlebnis zu tun hatte. Emma wartete draußen, um sich von mir zu verabschieden. Ich ging zurück und wir – na ja …« Er zögerte.
    »Aber warum haben Sie ihr das Märchen vom Buß- und Bettag aufgetischt?« Nick hatte immer noch Mühe, seine Gedanken in die richtige Reihenfolge zu bringen.
    »Ich wollte sie nicht beunruhigen. Sie war schon damals etwas …«, Kumar sah vorsichtig zu Mattie, »… sensibel.«
    Nick fragte sich, ob Mattie jetzt in die Luft gehen würde. Aber sie begnügte sich mit einem skeptischen Blick auf ihren Vater.
    »Sensibel sind viele Menschen. Aber dieser Mann, den ihr damals gesehen habt, hat Emma verrückt gemacht. Und jetzt ist er hinter uns her. Er wollte nicht, dass wir dich treffen. Er bringt lauter Leute um. Du musst uns helfen, ihn aus dem Verkehr zu ziehen!«
    Nick konnte seinen Blick nicht von dem Inder losreißen. Etwas irritierte ihn zunehmend am Verlauf der Unterhaltung. Kumar war viel zu defensiv. Ständig versuchte er Matties Blick auszuweichen.

81 Showdown
    »Er wird Ihnen nicht helfen.« Leise, auf Deutsch, hinter deinem Rücken.
    Du drehst dich um. Da steht Ludwig Hauser. Er ist vom Wasser her auf euch zugetreten. Für einen Moment glaubst du,
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