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Cut

Cut

Titel: Cut
Autoren: Merle Kroeger
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Existenzgründung
    Endlich! Du drückst den Einschaltknopf und der TK-35 surrt gleichmäßig los. Draußen ist es jetzt dunkel. An der Wand erscheint ein helles Rechteck. Dein Rücken tut weh vom stundenlangen Hocken. Du streckst dich und trittst ans Fenster.
    Er steht noch da, direkt gegenüber unter der Laterne. Rot und lang, das Licht spiegelt sich in den großen, hochgezogenen Scheiben. Als du die Fotoanzeige in der Zeitung gesehen hast, war dir sofort klar, dass er dein neues Zuhause sein würde.
    Das restliche Geld von dir und Nick hat gerade für den Bus gereicht. Die Technik und der Umbau mussten anderweitig finanziert werden. Die Frau bei der Bank hat dich angeguckt, als wärst du nicht ganz dicht. »Frau Junghans! Ein Wanderkino! Haben Sie nicht eine etwas modernere Geschäftsidee?«
    Du hast geredet und geredet, über die Schließung von kleinen Kinos auf dem Land und lokale Absatzmärkte. Du hast ihnen Rentabilitätsvorschauen vorgelegt und zwei großen Verleihfirmen, bei denen du Leute kennst, Empfehlungsschreiben rausgeleiert.
    Am Ende haben sie dir den Kredit gegeben, eher aus Erschöpfung, vermutest du. Aber egal.
    Du siehst dich um. Die Sachen von deiner Oma sind schon weg. Dein eigener Kram passt locker in den Bus. Du denkst an die türkische Familie, die morgen hier einziehen will. Deine Oma würde sich freuen, dass wieder Kindergeschrei durch die Wohnung hallt. Auch wenn es nicht ihre Enkelkinder sind.
    Du hast gerade das Telefonkabel aus der Buchse gezogen, als dir einfällt, dass du noch was vergessen hast. Du steckst dich wieder ein und wählst.
    »Hinnarck, ich bin’s, Madita.«
    »Deern! Wo hast du dich denn nun schon wieder rumgetrieben?«
    Hinnarck kann es nicht lassen. Du fragst dich, ob er jemals akzeptieren wird, dass du nicht in Harmsdorf leben willst.
    »Hinnarek, ich habe ein neues Kino! Es ist wunderschön, ihr müsst es bald mal angucken.« Du schweigst. Die Einzelheiten willst du ihm lieber direkt erzählen.
    »Ein neues Kino? Deern, woher hast du denn das Geld?«
    Du musst lachen. Hinnarcks erster Grundsatz ist es, niemals Schulden zu machen.
    »Weißt du, das meiste stammt aus einer Art Existenzgründungsförderung. Nicht rückzahlbar.«
    Hinnarek brummt: »Und was sagt dein Freund Nikolaus dazu?«
    Du wartest einen Augenblick, bis dir die richtige Antwort einfällt. »Der Nick, ja also, der ist gerade nicht da. Muss seine Kamera abholen.«
    Bevor Hinnarek weitere Fragen stellen kann, bittest du ihn, mit Emma sprechen zu dürfen, die heute aus dem Krankenhaus gekommen ist.
    »Ja? Madita?« Ihre Stimme klingt schleppend, wie immer.
    »Mama!« Du hoffst, dass sie versteht, was du ihr sagen willst. »Hör mir genau zu. Was ich dir jetzt erzähle, bleibt unser kleines Geheimnis. Sag nur ja, wenn du mich verstehst, okay?«
    Du lauschst Emmas schnaufenden Atemzügen.
    »Mama, ich habe mit dem nassen Mann gesprochen. Du musst keine Angst mehr haben. Er ist weg. Hörst du das, Mama?«
    »Jaaa«, raschelt Emma und dann, ganz leise, hörst du das Lied, das sie summt.

84 Achter Song
    Ein Schiff wird kommen, Instrumentalversion.
    Mattie fährt in ihrem Bus über eine Landstraße. Man sieht die ersten Anzeichen des Frühlings.
    Cut. Im Rhythmus des Liedes setzt die Tabla ein. Eine indische Hochzeitsfeier. Tänzerinnen aus Rajasthan. Klirrende Fußkettchen. Der Bräutigam geht auf die Tänzerinnen zu, die Reihe öffnet sich. Dahinter erscheint die junge Braut, den Blick gesenkt, im roten Hochzeitssari. Auf zwei thronartigen Sesseln sitzen Anand Kumar und seine Frau. Das Hochzeitspaar kommt und berührt ihre Füße.
    Cut. Mattie fährt über einen langen Damm vom Festland auf eine Insel.
    Cut. Durch den Sucher der Kamera gefilmt. Die Ankunftshalle des Flughafens Bombay. Nick mit Plattenkisten und einem Koffer erscheint im Bild. Er kommt auf die Kamera zu. Immer näher. Unscharf.
    Cals Stimme. »Bist du verrückt? Die Leute!«
    Das Sucherbild kippt zur Seite und zeigt einen unmöglichen schiefen Ausschnitt. Gesichter von Passanten tauchen auf, die den Kopf schütteln.
    Cut. Mattie klettert in einem kleinen Dorf aus dem Bus. Auf den Feldern blüht der erste Raps. Neben der Kirche steht eine Tafel mit Ankündigungen hinter Glas. Mattie klebt ein Plakat mit Motiven von Luis Bunuel dazu. Wanderkino auf der Insel Poel. Nur drei Tage lang steht auf einer weißen Banderole. Sie tritt zurück und hebt den Kopf. Über ihr zieht ein Schwarm kreischender Seevögel vorbei.
    Das Lied ist zu
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