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Cut

Cut

Titel: Cut
Autoren: Merle Kroeger
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zu dir am Aschenbecher stehen.
    Du fühlst dich, als ob die Realität plötzlich nahtlos in einen deiner Träume übergegangen ist, ohne Vorwarnung. Ein schlechter Witz, dieser Traum.

77 Emmas Welt
    Weiß, weiß, weiß sind alle meine Kleider, weiß, weiß, weiß ist alles was ich hab, weil mein Schatz ein – ein Arzt ist? Wie schön weiß ihre Arme leuchten. Zeitlose Eleganz bis fast hinauf zu den Ellenbogen. Stulpenhandschuhe hat man das in ihrer Jugend genannt.
    Schläfrige Emma. Immerzu schlafen möchte sie. Aber nicht tot. Emma ist nicht tot. Wieder nicht. Hinnarck ist froh, dass sie nicht tot ist. Warum nur? Sie ist aufgewacht und Hinnarck hat geweint.
    Da kommt er! Nein, nicht Hinnarck. Madita. Kleines Mädchen. Nichts passiert. Nur ihr Gesicht. Nicht weiß, nein gar nicht. Maditaanand. Madita fragt immer. Nicht fragen. Nein!
    Er kommt wieder. Sie weiß es. Nein! Madita! Nicht böse werden! Emma sagt die Wahrheit. Der Teufel ist aus dem Wasser gekommen. Damals, beim ersten Mal. Wildes Wasser. Schreie im Wasser. Dann kommt der Mann. Sein Gesicht. Sie hat sein Gesicht gesehen. Er rennt direkt auf sie zu. Emma fällt. »Anand!«

    Du hast Angst. Wie damals, als du noch ein Kind warst. Die Angst verhindert jeden klaren Gedanken. Du willst nur, dass es aufhört.
    Deine Hand greift nach der Klingel neben Emmas Bett. Gleich nachdem du reingekommen bist, hat der Anfall angefangen, ohne dass du überhaupt Zeit hattest, sie zu fragen. Im letzten Moment zögerst du. Wenn du jetzt klingelst, ist es vorbei.
    Emma ist aufgeregt, Spucke läuft ihr aus dem Mund. Ihre Arme rudern auf der Bettdecke herum. Du kannst dich nicht erinnern, jemals Öl ins Feuer ihrer Wahnvorstellungen gegossen zu haben. Unbeholfen nimmst du ihre Hand, die mit dem weißen Verband.
    »Emma! Beruhige dich. Ich glaube dir doch!« Du hörst den Hall deiner eigenen Stimme und wunderst dich, wie das klingt. »Ich glaube dir doch!«
    Auch Emma hört vor Überraschung auf herumzuzappeln und sieht dich misstrauisch an. Hält sie dich jetzt für eine Kollaborateurin ihrer unsichtbaren Feinde?
    Vorsichtig legst du ihre Hand auf die Bettdecke und holst das Foto vom Tisch. Du zeigst auf Rajiv Kher.
    »Mama. Da ist der nasse Mann. Aber er ist tot. Schon lange tot. Warum hast du solche Angst vor ihm? Was hat er dir getan? Und was hat Anand getan?«
    Es fängt wieder an. Emma wirft den Kopf auf dem Kissen hin und her. »Anand! Hilf mir! Bleib hier!«, schreit sie.
    Du fühlst dich hilflos, ausgeschlossen aus ihrem Alptraum.
    »Er kann dir nicht helfen, Mama.« Du redest jetzt leise auf sie ein, nicht so wie sonst, als ob sie schwerhörig wäre. »Anand ist lange weg. Du hast ihn weggeschickt, erinnerst du dich nicht? Aber ich bin da. Ich bin kein Kind mehr. Ich kann dir helfen!«
    Wieder bricht Emmas Anfall mitten in der Bewegung ab. Sie sieht dich an. »Mein kleines Mädchen. Es ist alles meine Schuld«, flüstert sie. Dann nimmt sie mit ihrer kalten Hand deinen Finger und schiebt ihn langsam über das Foto.
    »Ludwig Hauser!« Du guckst vom Foto hoch in Emmas Gesicht, aber sie wirkt jetzt ganz ruhig. »Hauser ist …«
    »Er ist ganz nass.«
    Sie hat es dir gesagt, laut und deutlich. Erschöpft dreht sie ihren Kopf zur Seite.
    »Und Anand? Was hat er damit zu tun?«
    Keine Chance. Emma hat sich ausgeklinkt. Ihre Hand greift noch einmal nach deinem Kopf und zieht ihn dicht zu sich hinunter aufs Bett. »Ein Schiff wird kommen«, summt Emma leise.

78 Hotel
    Einen Moment lang hatte er Angst, der Passat wäre nicht mehr da. Aber der Wagen stand genau dort, wo er ihn verlassen hatte. Ludwig öffnete den Kofferraum, verstaute seine Tasche und stieg ein.
    Er fühlte sich besser, viel besser. Alles lief jetzt nach Plan. Im Flugzeug hatte er in der ornithologischen Monatszeitschrift gelesen, dass auf der Ostseeinsel Poel die Stelle des Vogelwartes frei wurde. Er kannte die Warte, sie lag auf einer vorgelagerten kleinen Insel, die man nur nach vorheriger Anmeldung betreten durfte. Er war eingedöst und hatte von der Sandbank geträumt, auf der sich Kormorane, Möwen und Strandläufer ungestört tummelten. Als er aufwachte, klangen die Schreie der Seevögel noch in seinen Ohren, und das Bild der Sandbank hatte ihm Zuversicht eingeflößt.
    Er startete den Wagen und zwang sich, die Tagträumereien zu verschieben und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Er brauchte ein Telefon. Er dachte kurz daran, nach Harmsdorf zurückzukehren, doch dann verwarf er den Gedanken
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