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Crossfire 1: Kontakt

Crossfire 1: Kontakt

Titel: Crossfire 1: Kontakt
Autoren: Nancy Kress
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kürzer!«
    »Ingrid«, warf ihr Ehemann beruhigend ein.
    »Die Abschirmungen entsprechen der Norm, Dr. Johnson«,
wiederholte Scherer sanft. Mit genau abgemessenen Bewegungen leerte
er den Becher mit dem heißen Kaffee.
    »Weichen Sie meiner Frage nicht aus!«, schnauzte
Ingrid.
    »Aber das tut er doch gar nicht, Liebling«, wandte Todd
vorsichtig ein. Gail hatte sich schon oft gefragt, weshalb so ein
sanfter und ruhiger Mann eine Furie wie Ingrid geheiratet hatte. Aber
andererseits – weshalb heirateten Menschen überhaupt? Und
Ingrid sah sehr hübsch aus, eine zierliche, genoptimierte
Blondine mit saphirblauen Augen.
    Gail hatte den Verdacht, dass Ingrid vielleicht gerade deshalb so
forsch auftrat, weil ihre berückende Schönheit immer wieder
verhindert hatte, dass sie beruflich ernst genommen wurde. Eltern
konnten so dumm sein. Ganz zu schweigen von Männern im
Liebesrausch.
    »Du brauchst mir nicht zu erklären, was der Hauptmann
gemeint hat«, herrschte sie Todd an. »Ich kann ebenso gut
zuhören wie du.«
    »Aber nicht ebenso ruhig«, warf Gail ein und brachte
ihre Autorität ins Spiel. Es war genug. »Ingrid, kann ich
dich bitte mal in meinem Büro sprechen?«
    Es war keine Bitte, und Ingrid wusste das. Sie wurde noch
röter, aber sie erhob sich und folgte Gail.
    Das Büro der Mira Corporation war ein kleiner Raum, in dem
auf Folie ausgedruckte Informationen aufbewahrt wurden – eine
Sicherheitsmaßnahme für den Fall, dass es auf Greentrees
zu einem katastrophalen Versagen der computergestützten Systeme
kam. Ein Verzeichnis der Namen aller Siedler war hier hinterlegt und
ebenso ihre Verträge mit der Gesellschaft, außerdem
schriftliche Anleitungen für jedes nur denkbare Verfahren, von
maritimer Navigation nach den Sternen bis hin zum
Holzfällen.
    Gail und Jake nutzten das Zimmer für vertrauliche
Gespräche, denn auf dem Schiff war »Privatsphäre«
ein Fremdwort. Sie bedeutete Ingrid, auf Jakes Stuhl Platz zu nehmen.
Die beiden Frauen nahmen fast den gesamten vorhandenen Raum in
Anspruch.
    »Ingrid, ich muss dir sicherlich nicht erzählen, wie
angespannt wir alle im Augenblick sind und woran das liegt.«
    »Das ist noch lange kein Grund für diesen
scheinheiligen…«
    »Ich muss dir sicher nicht erzählen, wie angespannt wir
alle im Augenblick sind und woran das liegt«, wiederholte Gail.
Ingrid verstand, worauf das hinauslief. Gail würde einfach immer
wieder dasselbe sagen, bis Ingrid darauf einging. Das war eine
Gesprächstechnik, die Gail von Jake übernommen hatte –
nachdem sie selbst oft genug damit konfrontiert worden war.
    »Also gut, in Ordnung«, räumte Ingrid mürrisch
ein.
    »Und ich weiß, dass du dir alle Mühe gibst, deine
Gefühle unter Kontrolle zu halten.« Meine Güte, was
man als Führungsperson doch lügen muss! Eigentlich
wäre das hier Jakes Aufgabe. »Aber ich muss dich leider
bitten, dir in Zukunft noch mehr Mühe zu geben.«
    »Aber Scherer…«
    »Ich muss dich leider bitten, dir in Zukunft noch mehr
Mühe zu geben.«
    »Gail, bitte sprich nicht mit mir wie mit einem kleinen
Kind.«
    »Ein kleines Kind bist du sicherlich nicht, Ingrid. Aber ich
trage die Verantwortung für diese Reise, und ich kann nicht
zulassen, dass du sie in Gefahr bringst. Ich werde das nicht
zulassen.«
    Sie musste nicht deutlicher werden. Ingrid hatte den Vertrag mit
der Mira Corporation unterschrieben, und sie wusste sehr wohl, dass
Gail sie zwangsweise in den Kälteschlaf schicken konnte.
Hauptmann Scherer würde eine solche Entscheidung ohne
Zögern durchsetzen. Und William Shipley konnte Ingrid so rasch
ruhig stellen, dass sie es nicht mal merken würde, bis sie auf
Greentrees wieder erwachte.
    Gail sah, wie Ingrid gegen ihre Gereiztheit ankämpfte, gegen
ihre Empörung, gegen ihre vollkommen verständliche und von
der langen, einsamen Reise durch den Raum hervorgerufene Paranoia.
Sie alle litten darunter. Ingrid hatte dieser Paranoia nachgegeben,
aber nur in beherrschbarem Umfang. Die Genetikerin war von Natur aus
launisch, aber sie hatte nicht den Bezug zur Wirklichkeit
verloren.
    »Also gut, Gail«, murmelte Ingrid. »Es tut mir
Leid. Ich werde mich in Zukunft mehr zurückhalten.«
    »Daran habe ich nie gezweifelt«, sagte Gail mit
glänzend gespielter Herzlichkeit. Sie wartete. Eins, zwei,
drei… Ja, Ingrid knallte auf dem Weg nach draußen die
Tür hinter sich zu.
    Dieser klägliche Trotz bedrückte Gail mehr als der ganze
übrige Vorfall. In welchem Zustand würden all die, die
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