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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo
Autoren: Elizabeth Corley
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körperlichen Verletzungen selbst zu tun hatte. Traumatisch war die Erinnerung an ihre Hilflosigkeit, an seine Kraft und das Gewicht seines Körpers auf ihrem, seine grapschenden Finger, die sie berührten. Das bereitete ihr das größte Entsetzen. Sie fühlte sich besudelt und wertlos, aber sie hatte sich dazu bewegen lassen auszusagen, das Ganze noch einmal zu durchleben, und das Vertrauen, das in sie gesetzt worden war, hatte sich bislang als berechtigt erwiesen.
    »Können wir weitermachen?«
    »Ich glaube nicht. Ich bin sehr zittrig. Können wir das nicht auf morgen vertagen?«
    Sie fühlte sich in der Falle. Der Korridor war so stickig wie der Gerichtssaal. Die Sonne brannte durch die schmutzigen Fenster, grell zwischen den dunklen Schattenstreifen. Sie rutschte ein Stück zur Seite ins Dunkle und lehnte den Kopf gegen die Wand, die Augen geschlossen. Um sie herum und über ihr wurden Stimmen laut, die sie überreden wollten weiterzumachen. Wenn die Verteidigung Zeit hatte, ihre Taktik neu zu überdenken, könnte die Anklage ihren Vorteil einbüßen. Sie kapitulierte und hievte sich hoch. Als sie den Gerichtssaal betrat, fingen ihre Knie an zu zittern, und ihr wurde schwindelig. Das waren nur die Nerven, beruhigte sie sich, keine Vorwarnung.
    Sie riskierte einen Blick zu den Zuschauerbänken. Ihr Bruder saß dort neben einem sonnengebräunten Fremden mit seltsam strahlenden Augen. Die beiden lächelten sie an, und sie atmete tief durch.
    »Sergeant?«
    Stringer hatte ihren abschweifenden Blick bemerkt und hob ungeduldig eine Augenbraue, tat alles, um ihr Selbstvertrauen zu untergraben. Wenn er nur wüsste, wie wenig ihr davon noch geblieben war! Aber ihr Kostüm und das sorgfältige Make-up boten ein vollendetes, professionelles Bild. Undurchlässige Tarnung.
    »Kommen wir auf den Abend des zwölften Februar letzten Jahres zu sprechen. Der Abend, an dem der Angeklagte Sie angegriffen hat, wie die Anklage behauptet.«
    »Der Abend, an dem er versucht hat, mich zu vergewaltigen.« Stringer schnaubte. »Ja, Sir, daran erinnere ich mich gut.«
    »Dann schildern Sie uns doch bitte Ihre Version der Ereignisse.«
    Nightingale holte tief Luft. Ihr Mund war trocken. Die gesamte Feuchtigkeit ihres Körper schien sich in kühlen Lachen um den Rockbund und unter ihren Armen gesammelt zu haben.
    »Es war das zweite Mal, dass der Angeklagte sich mit mir treffen wollte. Bei der ersten Verabredung war er nicht gekommen, doch seit jenem Abend hatte ich das Gefühl, dass mich jemand verfolgt.«
    »Ein ›Gefühl‹, Sergeant, ist kein Beweis, wie Sie wohl wissen, und die Fakten sind nun mal die, dass der Angeklagte trotz eines beachtlichen Polizeiaufgebots nicht dabei gesehen wurde, Sie verfolgt zu haben. Ist das richtig?«
    »Ja, Sir.« Sie widerstand dem Wunsch, den Geschworenen zu erzählen, dass ihr Auto beschädigt und ihr Müll durchwühlt worden war. Das alles war in den fünf Tagen zwischen der ersten und zweiten Verabredung passiert, aber da keine Spuren von dem Angeklagten gefunden worden waren, handelte es sich um reine Spekulation.
    »Am zwölften Februar machte ich mich auf den Weg zu dem Treffpunkt, den der Angeklagte mit mir vereinbart hatte, am Musikpavillon im Harlden Park, wo ich mit drei Minuten Verspätung um siebzehn Uhr dreiunddreißig eintraf. Ich wartete bis achtzehn Uhr fünfzehn und wollte dann zurück zu meinem Wagen. Ich musste durch den Rosengarten und über einen Weg, der zwischen Rhododendronbüschen hindurchführte.«
    »Wieso sind Sie nicht einen besser beleuchteten Weg gegangen? Es war schließlich dunkel.«
    »Dann hätte ich fünfzehn statt fünf Minuten gebraucht, und der Weg ist normalerweise gut beleuchtet.«
    »Fahren Sie fort.«
    »Als ich an dem Gebüsch vorbeikam, hörte ich ein Geräusch irgendwo aus den Sträuchern und sah mich deshalb nach einem anderen Weg um. Da es keinen gab, ging ich weiter.«
    »Sie stellen es so dar, als wären Sie allein gewesen, doch in Wahrheit wimmelte es überall von Polizei, und Sie trugen ein Mikro, nicht wahr?«
    »Ich trug ein Mikro. Doch der Treffpunkt am Musikpavillon war insofern problematisch, als die mich beschattenden Beamten am Rand des Parks bleiben mussten. Zwei posierten als Liebespärchen, und drei weitere spielten Fußball auf der Wiese, aber als es dämmerte, mussten sie gehen. Vier weitere Kollegen waren auf dem Parkplatz, zwei auf Bänken im Rosengarten – sie waren am nächsten – und alle übrigen hielten sich in einem mehr oder
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