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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo
Autoren: Elizabeth Corley
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die allzu tonlos und ruhig klang. »Nicht unbedingt das, was ich geplant hatte, aber immer noch besser als Gefängnis.« Ihn schauderte. Schon das Wort ließ ihn erzittern.
    Sie trat zurück und sah zu, wie er die paar Meter zum Klippenrand ging. Er starrte nach unten, und sie wünschte sich, dass er sprang, empfand Erleichterung, dass es so enden würde. Doch da fuhr er herum, macht einen Satz auf sie zu und schlang die Arme um ihre Taille.
    »Aber Scheiße, du kleine Schlampe kommst mit. Wir sterben zusammen, in alle Ewigkeit aneinander gefesselt. Ich könnte mich fast darüber freuen.«
    Er hielt sie fest, als würden sie tanzen. Nightingale wehrte sich verzweifelt, als er sie zum Klippenrand zerrte. Sie legte die Hände unter sein verletztes Kinn, versuchte, ihm den Kopf nach hinten zu biegen, drückte so heftig gegen seinen Hals, dass er eigentlich brechen müsste, aber er schleifte sie weiter, in einem verrückten unsicheren Walzer. Sein unverletzter Arm hielt sie so fest umschlungen, dass sie nicht mehr richtig atmen konnte.
    Sie sah, dass die Stelle, wo das Gras endete, noch höchstens drei Meter entfernt war. Mit dem linken Fuß trat sie gegen sein Schienbein, dann gegen sein Knie, und er stolperte. Sie fielen zusammen ins Gras, aber seine Umklammerung lockerte sich nicht.
    »Wunderbar«, zischte er, während Nightingales Hände seine Zähne von ihrem Hals wegdrückten. »Lass uns gemeinsam untergehen.« Kaum hatte er das gesagt, bog er den Rücken durch und rollte sie beide Richtung Abgrund.
    Es war ein dummer Fehler. Ihr gemeinsames Gewicht drückte seinen verletzten Arm zu Boden, und er schrie vor Schmerz auf. Unwillkürlich ließ er los, und sie kroch auf Händen und Füßen weg, konnte sich fast befreien, bevor er mit seiner gesunden Hand ihren Knöchel zu fassen bekam. Sie trat nach ihm, traf seine kaputte Schulter, aber er hielt sie fest, angetrieben von dem übermenschlichen Verlangen, sie zu töten.
    Er zog und zerrte, und sie begannen eine Art Tauziehen, knapp zwei Meter vom Klippenrand entfernt, wobei Nightingales Beine das Tau waren. Sie grub die Hände in den Boden, riss büschelweise Grashalme aus, während er sie zum Abgrund und dem sicheren Tod zog. Sie schrie jetzt, am Ende ihrer Möglichkeiten und ihrer Kraft. Er sprach die ganze Zeit, peinigte sie mit Bildern des Todes, aber sie ließ sich nicht von ihrem Überlebenskampf ablenken. Die Messer lagen außerhalb ihrer Reichweite. Der Boden war glatt, ohne auch nur einen Baum oder Felsen, an den sie sich hätte klammern können. Es war bloß noch eine Frage der Zeit, bis sie abstürzten. Die Rufe aus dem Wald wurden lauter. Sie gaben Nightingale Kraft für ein letztes Aufbäumen, und sie schaffte es, ihn zu bremsen.
    Er hörte auf zu sprechen und legte nun all seine Energie darein, an ihren Beinen zu ziehen. Sie hatte keine Tränen mehr. Beide waren sie in einem reglosen Tableau im Mondlicht erstarrt, wie Statuen in einem grotesken Werk moderner Kunst, nur noch der Natur und der Zeit ausgeliefert. Nightingales Muskeln begannen vor Anspannung zu zittern. Der Schmerz im Bein und in der verletzten Seite war unerträglich. Sie spürte, wie sie schwächer wurde, und sie wusste, dass sie ihm diesmal wirklich nichts mehr entgegensetzen konnte.
    »Himmel, bist du schön, von hier aus gesehen.« Er wechselte die Taktik, wollte ihre Konzentration stören. Sie hielt den Blick auf den Suchscheinwerfer des Hubschraubers gerichtet, der immer größer wurde, und dachte nur eins: bloß nicht lockerlassen. Er zog ruckartig an ihrem Bein, und ihr Knie rutschte. Sie verlor kostbare zehn Zentimeter, aber sie spannte die Muskeln an und kniff die Augen vor Schmerzen zusammen.
    Der Suchscheinwerfer schwang im Halbkreis über die Klippe und wieder zurück, als starrte er fassungslos auf sie herab. Nightingale hörte das Dröhnen und spürte den Luftzug der Rotorblätter. Füße trommelten über den Boden, und jemand packte ihre Arme an den Handgelenken, um sie in Sicherheit zu ziehen.
    Seine Hand glitt von ihrem Knöchel. Sie drehte sich um und sah Smith an, der aufstand und einen halben Satz auf den Abgrund zumachte. Der Mann, der sie befreit hatte, ließ jetzt los und setzte ihm nach, bekam ihn zu fassen, ehe er springen konnte, und riss ihn zu Boden. Sekunden später waren zwei Polizisten da und legten Smith Handschellen an. Er stieß einen entsetzlichen Schrei aus, als er spürte, wie ihm seine Freiheit genommen wurde, und wehrte sich verzweifelt, aber
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