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Crescendo

Crescendo

Titel: Crescendo
Autoren: Elizabeth Corley
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wartete in der Dunkelheit. Wusste er, dass sie ihn verfolgte? Schlich er sich gerade von hinten an sie ran? Sie bekam eine Gänsehaut. Sie bewegte die Schulterblätter, um das Kribbeln dazwischen zu lindern, und riskierte einen raschen Blick nach hinten. Nichts. Bloß Baumstämme und schwarze Finsternis. Sie schluckte, und es klang zu laut. Allmählich verlangsamte sich ihr Atem. Vielleicht war sie hier mutterseelenallein, und er war doch entwischt. Sie wartete. Wieder ein Knacken, eindeutig links von ihr. Sie legte sich auf die Erde und kroch vorwärts, hielt den Kopf tief im Farnkraut. Sie war fast am Rand des Waldes angekommen. Ein schwacher Lichtschein warf Schatten in ihre Richtung, und weiter vorn konnte sie eine Grasfläche sehen. Der Hubschrauber kam zurück, das Rotorengeräusch war noch leise, schwoll aber an.
    Keine zehn Meter von ihr entfernt schob sich die Gestalt eines geduckten Mannes zwischen sie und das Mondlicht. Wenige Augenblicke später und sie wäre praktisch auf ihn draufgekrochen. Als er auf die Klippe zulief, schlüpfte Nightingale hinter ihm her durch die Bäume. Er schaute nicht in ihre Richtung, sondern nach oben in den Himmel. Dann lief er zurück und tauchte in den Schutz des Waldes, nur drei Baumstämme von der Stelle entfernt, wo sie lag. Der Lärm des Hubschraubers war jetzt sehr laut, und dann fiel ein Scheinwerferstrahl auf die Klippe, schwang darüber hinweg und glitt weiter, setzte die Suche fort.
    Der Mann wartete kaum ab, bis das Licht verschwunden war. Er rannte wieder über das Gras, aber diesmal war Nightingale direkt hinter ihm. Das Messer in der linken Hand, in der rechten einen abgebrochenen Ast, den sie wie eine Keule schwang. Sie stieß einen grässlichen Schrei aus, als sie auf ihn zusprang und mit voller Wucht zuschlug. Er drehte sich halb um, und der Schlag, schwer und voller Hass, erwischte ihn an Hals und Schulter.
    Sie hörte etwas brechen, und er jaulte vor Schmerz auf. Eine Bandage fiel ihm vom Gesicht, und Blut spritzte aus seinem Hals. Sein linker Arm hing schlaff herab.
    »Du verdammtes Miststück!«
    Trotz des Schmerzes ging er kampfeslustig zum Angriff ü ber. In der rechten Hand hielt er ein Stanley-Messer. Die bösartige dreieckige Klinge blitzte im Mondlicht. Er stieß zu, verfehlte nur knapp ihre Wange. Sie parierte den Hieb mit dem Ast, duckte sich und wich zurück, aber er setzte nach, griff mit einer Energie an, die unheimlich war angesichts der Verletzungen, die sie ihm zugefügt haben musste.
    »Nichts ist gefährlicher als ein verwundetes Raubtier«, hatte ihr Vater immer gesagt, und der Satz bewahrheitete sich jetzt. Sie hätte den Mann töten sollen, als sie die Chance dazu gehabt hatte. Jetzt würde er sie umbringen, da war sie sich sicher, und wenn es ihn selbst das Leben kostete.
    Sie versuchte, ihn erneut am Arm zu treffen, verfehlte ihn aber, und er nutzte den kurzen Moment, in dem sie aus dem Gleichgewicht war, um vorzuspringen, das Messer ausgestreckt wie ein Bajonett. Es erwischte sie am Unterarm. Die Wunde war nicht tief, aber durch den unerwarteten Stoß glitt Nightingale das Skalpell aus der Hand. Er lachte, ein furchtbares Triumphgeheul. Sie war jetzt vor Angst wie gelähmt, und offenbar spürte er das, denn er drang wieder auf sie ein, hieb wild mit dem Messer durch die Luft. Er schlug ihr den Ast aus der Hand und warf sich dann auf sie. Sie bekam sein Handgelenk zu packen, drückte das Messer von ihrem Gesicht weg und versuchte, ihm ihr Knie in den Unterleib zu stoßen, aber der Winkel war falsch. Ganz allmählich drückte sein Gewicht die Klinge immer näher an ihre Augen. Verzweifelt riss sie den Kopf seitlich nach oben und biss ihn so fest ins Kinn, dass ihre Zähne sich fast berührten. Er heulte auf. Blut füllte ihren Mund, und sie spuckte es ihm in die Augen. Dann verdrehte sie sein verletztes Handgelenk so abrupt, dass ihm das Messer aus der Hand fiel.
    Er senkte den Kopf und wollte ebenso zubeißen wie sie, aber sie entwand sich ihm und landete einen Haken in seiner Magengrube, der ihm die Luft nahm. Er kam hoch, und die blutige Maske seines Gesichts starrte sie irre grinsend an. Aus dem Wald hinter ihnen drangen Geräusche, als hasteten mehre Personen durchs Gehölz, und sie schrie laut um Hilfe.
    Die Geräusche wurden lauter, und dann kam der Hubschrauber von der weiter entfernt liegenden Landzunge zurück auf sie zugeflogen.
    »Na schön, das Spiel ist aus. Dann werde ich also sterben.« Er sagte das mit einer Stimme,
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