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Crash

Crash

Titel: Crash
Autoren: J. G. Ballard
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eingeschworener Feinde, Haßtode, die mit im Rinnstein brennendem Benzin gefeiert wurden, während der Lack der Wagen sich im Licht der Nachmittagssonne über den Provinzstädtchen ausbeulte. Er stellte sich spezielle Unfälle entflohener Sträflinge vor oder Unfälle von Hotelempfangs damen nach Feierabend, die zwischen den Lenkrädern und den Lenden ihrer Liebhaber eingekeilt waren, die sie masturbierten. Er dachte an Unfälle frisch Vermählter auf der Fahrt in die Flitterwochen, die nach ihrem Zusammenstoß unter den Verteilereinheiten ausgebrochener Zuckerlastwagen zermalmt wurden. Er dachte an die Unfälle mit Automechanikern, den abstraktesten von allen Todesarten, die zusammen mit unter Promiskuität leidenden Laborassistentinnen verletzt wurden.
    Vaughan ersann endlose Variationen dieser Unfälle, wobei er zuerst an wiederholte Frontalzusammenstöße dachte: ein Kindesmißhandler und eine überarbeitete Ärztin spielten ihren gemeinsamen Tod erst bei Frontalzusammenstößen durch, dann bei Unfällen mit sich überschlagenden Wagen; eine alternde Prostituierte prallte gegen den Betonpfeiler einer Autobahnbrücke, ihr übergewichtiger Körper wurde durch die geborstene Windschutzscheibe geschleudert, der in den Wechseljahren befindliche Unterleib wurde von der Kühlerfigur aus Chrom aufgeschlitzt. Ihr Blut ergoß sich über den abendlich getönten Beton der Brücke, was dem Polizisten, der ihre Überreste in einem gelben Plastikle ichentuch sammelte, auf ewig Alpträume bescherte. Alternativ dazu sah Vaughan sie auch auf dem Gelände einer Tankstelle von einem rückwärtsfahrenden Tanklaster gegen die Fahrertür gequetscht werden, als sie sich hinabbeugte, um ihren rechten Schuh zu öffnen. Die Konturen ihres Körpers wurden so in dem blutgetränkten Bezug der Türverkleidung verewigt. Er sah sie von der Flughafenüberführung auf eine Hochbahn mit Fahrgästen stürzen, wie er selbst später gestorben war, die Fracht selbstgefälliger Reisender multipliziert durch den Tod dieser myopischen Frau in mittleren Jahren. Er sah, wie sie von einem heranbrausenden Taxi erfaßt wurde, als sie aus ihrem eigenen Wagen aussteigen wollte, um sich in einer öffentlichen Bedürfnisanstalt zuerleichtern. Ihr Körper wurde mehrere Meter mitgeschleift und blieb in einer Lache aus Blut und Urin liegen.
    Ich denke nun an die anderen Unfälle, die wir uns ausgemalt haben, absurde Tode von Verletzungen, Verstümmelungen und Irrsinn. Ich denke an die Kollisionen von Psychopathen, unmögliche Unfälle, die mit Hingabe und Selbstverachtung ausgeführt werden, teuflische Karambolagen, die in gestohlenen Autos auf abendlichen Schnellstraßen inmitten müder Büroangestellter stattfinden. Ich denke an die absurden Unfälle neurasthenischer Hausfrauen, die von Kliniken zur Behandlung ihrer Geschlechtskrankheiten zurückkehren und dabei mit geparkten Autos am Straßenrand von Vorortstraßen zusammenprallen. Ich denke an die Unfälle entzückter Schizophrener, die frontal mit Wäschereilieferwagen in engen Einbahnstraßen zusammenstoßen, ich denke an Manisch-Depressive, die in ihren Wagen zerquetscht werden, während sie vergebliche U-Kurven auf Autobahnzubringern fahren, ich denke an unglückliche Paranoide, die mit Höchstgeschwindigkeit in die Backsteinmauern am Ende bekannter Sackgassen hineinfahren, an sadistische Krankenschwestern, die bei inversen Unfällen auf unübersichtlichen Kreuzungen enthauptet werden, an lesbische Geschäftsführerinnen von Supermärkten, die vor den Augen stoischer Feuerwehrmänner in den verkeilten Karosserien ihrer Sportwagen verbrennen, an autistische Kinder, die bei Auffahrunfällen zerdrückt werden, ihre Augen weniger verwundet, an Busse voller Geistesgestörter, die stoisch in Abwasserkanälen von Industriebetrieben ertrinken.
    Schon lange bevor Vaughan starb, hatte ich begonnen an meinen eigenen Tod zu denken. Mit wem wollte ich sterben - und in welcher Rolle? Psychopath, Neurastheniker, entflohener Krimineller? Vaughan träumte ohne Unterlaß von den grandiosen Unfällen, die sie alle erleben konnten. Er hatte die Tode von James Dean, Albert Camus, Jayne Mansfield und John F. Kennedy mit weitschweifigen Phantasien ausgeschmückt. In seiner Einbildung existierte eine Schreckensgalerie mit Filmschauspielerinnen, Politikern, Geschäftsleuten und Fernsehstars. Vaughan verfolgte sie alle mit seiner Kamera, sein Teleobjektiv beobachtete sie von der Dachterrasse des Oceanic Terminal am Flughafen, von
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