Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Martyn Bedford
Vom Netzwerk:
nicht verändert vor. Allerdings quälte ihn der Verdacht, dass ihm irgendetwas Schreckliches, Ungeheuerliches zugestoßen war. Diesen Gedanken hatte er die ganze Zeit im Hinterkopf, er ließ sich nicht ausblenden.
    Er kam jetzt an einer Ladenzeile vorbei, an einem Parkplatz und an noch mehr Läden, einem Postamt und einem indischen Restaurant, danach folgte ein Bahnhof mit Haltebuchten für Busse. Auf dem Schild am Bahnhof stand:
Litchbury.
    Von dieser Ortschaft hatte Alex noch nie gehört. Er ging zum Aushang mit den Fahrplänen, wo er eine Karte des regionalen Schienennetzes fand. Ein paar Leute kamen aus dem Bahnhof oder gingen hinein, manche gingen auch in den kleinen Supermarkt oder warteten auf den Bus. Alex spürte ziemlich deutlich, dass er unter diesen Fremden ein Außenseiter war, der sich irgendwie verdächtig benahm, wie ein Spion oder so. Dabei schenkte ihm niemand besondere Beachtung. In den Augen der Leute war er wahrscheinlich ein ganz gewöhnlicher Junge, der heute die Schule schwänzte. Er sah sich die Schienennetzkarte genauer an. Litchbury lag am Ende einer Strecke, die bis   – er fuhr die Linie   … nein, nicht mit seinem, sondern mit
Philips
Finger nach   –, bis nach Leeds führte.
Leeds.
Wo lag das noch mal? Irgendwo im Norden. Jedenfalls ziemlich weit weg von London. Seine Stimmung kippte wieder. Andererseits hätte er ja auch sonst wo landen können, dachte er dann, in Tokio, Mumbai, Buenos Aires. Verglichen damit war Litchbury nicht allzu übel. Trotzdem gefiel ihm die Vorstellung nicht, dass er so weit weg von Mum, Dad und Sam war, und dass es ziemlich lange dauern konnte, bis Mum ihn hier abholte.
    Und
wenn
sie ihn dann abholte   …
    Wie sollte er ihr klarmachen, dass ihr Sohn im Körper eines fremden Jungen steckte? Dass ihr Sohn sie aus einem fremden Gesicht anblickte? Vielleicht glaubte sie ihm sogar, aber wie sollte sie ihm helfen, wie sollte sie das rückgängig machen? Wie? Konnte ihm überhaupt jemand helfen? Was spielten schon ein paar Stunden für eine Rolle, wenn er womöglich Tage, Wochen, Monate, Jahre hier festsaß?
    Sein ganzes Leben lang.
    Das Telefon summte wieder. Er holte es heraus und las die Nachricht.
    Nach Schule im Smoothies? Bis dann Bx.
    Diese SMS kam laut Display von einer »Billie«. Philip hatte also
zwei
Freundinnen.
     
    Um sich die Zeit bis zu Mums Rückruf zu vertreiben, pflanzte er sich auf eine Bank vor dem Bahnhof und schaute in Philips Schulrucksack. Den hatte ihm die Giraffenfrau beim Verlassen des Hauses in die Hand gedrückt. Was da wohl drin war? Hausschlüssel vielleicht, Geld, Schulbrote (weil Alex das Frühstück wieder ausgekotzt hatte, meldete sich jetzt der Hunger). Womöglich irgendwelche Hinweise darauf, wer Philip eigentlich war. Es gab Milliarden Menschen auf der Welt und er war ausgerechnet bei Philip gelandet. Das konnte doch kein Zufall sein. Zwischen ihnen beiden musste es irgendeine Verbindung geben.
    Alex öffnete die verschiedenen Fächer der Tasche und breitete alles neben sich auf der Bank aus. Die Ausbeutewar ziemlich mager. Eine zusammengerollte Regenjacke, Schulbücher (Mathe, Geschichte, Französisch), ein Schulplaner, ein
Snickers -Papier
, Kugelschreiber, Bleistifte, ein Lineal, ein Spitzer, ein Taschenrechner, ein iPod, ein Spielplan des Yorkshire County Kricket Club, ein Feuerzeug, ein Päckchen Spielkarten, ein 1-G B-Memory -Stick, Deo (Marke Lynx), Haargel, Mundspray, eine Zweipence-Münze, ein vertrockneter Apfelbutzen, eine halbe Rolle Pfefferminz, eine Schülermonatskarte, vier Gummiringe, zwei Büroklammern, eine Handy-Guthabenkarte, noch ein
Snickers -Papier
und zu guter Letzt ein kleiner Schlüssel (für den Schulspind?) an einem Schlüsselring in Busenform.
    Alex steckte ein Pfefferminz in den Mund, versenkte den Apfelbutzen und die Papierchen im Mülleimer und verstaute alles andere wieder in der Tasche, nur den Planer, den iPod und die Spielkarten nicht. Die Schachtel war zu leicht für einen Satz Spielkarten. Alex schob den Deckel auf. Zigaretten. Das erklärte den schlechten Geschmack im Mund beim Aufwachen, ebenso das Feuerzeug, das Pfefferminz und das Mundspray. Alex hatte nie geraucht, bis auf eine halbe Probierzigarette bei einer Party. Auch wenn es ihm geschmeckt hätte (was nicht der Fall gewesen war), war Rauchen für einen Asthmatiker keine gute Idee. Alex fiel ein, dass er jetzt kein Asthma mehr hatte. Er holte Luft   – tief und ohne Pfeifen   – und ließ die Luft in einem langen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher