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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Martyn Bedford
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ich aus dem Haus. Und du auch.« Sie zeigte auf seine Schüssel. »Iss auf und dann geh hoch und   …«
    »Also   …«
    »Und es wäre wunderbar, wenn du es sogar noch schaffst, dir das Gesicht zu waschen und die Zähne zu putzen!«
    »Entschuldigung«, sagte Alex, »aber können Sie mir bitte erklären, was hier vorgeht?«
    Die Miene der Frau hätte einem Eisbären das Blut in den Adern gefrieren lassen. »In zehn Minuten stehst du gewaschen, angezogen und startklar an der Tür, verstanden?«
    Ehe Alex etwas erwidern konnte, rauschte sie aus der Küche. Er lauschte ihren Schritten auf der Treppe, dannsaß er allein und verwirrt da, ließ den Blick über den Frühstückstisch und die fremde Umgebung wandern. Die knallrot gestrichenen Wände leuchteten in der Sonne. Am liebsten hätte Alex das ganze Zeug mit Schwung vom Tisch gefegt. Draußen bellte der Hund und wollte wieder rein.
    Alex’ Blick fiel auf eine mit Toastkrümeln übersäte Zeitung, deren Einzelteile in einem unordentlichen Haufen neben einem Teller lagen. Es war der
Guardian.
Alex zog den Teil mit der Titelseite hervor. Das mit der Schule ging ihm nicht aus dem Kopf. Heute
konnte
gar keine Schule sein, auch die nächsten beiden Wochen nicht, trotzdem hatte das Mädchen gesagt, sie würde sich vor der Schule noch mit ihren Freundinnen treffen. Aber es war doch Sonntag! Sonntag, der 22.   Dezember. Gestern war der letzte Schultag gewesen. Am Nachmittag wollte Dad Oma am Bahnhof abholen, sie kam über die Weihnachtstage zu Besuch. Alex drehte die Zeitung um und suchte nach dem Datum oben auf der Titelseite.
    Er ließ das Blatt fallen, legte die Hände auf die Beine und bohrte die Finger in die Oberschenkel, damit sie nicht mehr so zitterten. Es klappte nicht.
    Hier stimmte etwas nicht. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht!
    Aber als Alex wieder nach der Zeitung griff, stand auf der Titelseite dasselbe Datum wie vorher.
    Montag, 23.   Juni.
    Da erschien die knochige Frau mit dem wehenden Kleid wieder. »Ach,
hier
steckst du!« Und dann: »Ichglaub, ich spinne   – du hast dich nicht mal von der Stelle gerührt!«
    Alex sah sie an. Er traute sich nicht zu blinzeln, weil er fürchtete, die Tränen, die ihm in den Augen standen, würden ihm sonst über die Wangen rollen.
    »Verflixt noch mal«, sagte die Frau, »jetzt reiß dich aber zusammen, Philip!«

2
     
    Es war schlimm genug, in einem unbekannten Haus aufzuwachen, festzustellen, dass über Nacht ein halbes Jahr vergangen war und dass eine wildfremde Frau einen für ihren Sohn hielt.
    Aber das alles war lächerlich im Vergleich zu dem, was Alex kurz darauf im Badezimmerspiegel erblickte.
    Die Frau hatte ihn mehr oder weniger am Schlafittchen die Treppe hochgeschleift, wobei sein Protest sie nur noch mehr aufgebracht hatte.
    Ich bin nicht Philip   … Ich kenne überhaupt keinen Philip   … Was geht hier eigentlich vor?   … Sie sind nicht meine Mutter   … Wer sind Sie?   … Wo bin ich?   … Lassen Sie mich los   … Ich heiße Alex, Alex Gray   … Ich will meine Eltern anrufen   …
    ICH BIN NICHT PHILIP!
    Aber dann, nachdem ihn die Giraffenfrau ins Bad geschubst, die Tür hinter ihm zugeknallt und sich draußen im Flur als Wache postiert hatte, sah Alex zum ersten Mal sein Spiegelbild.
    Besser gesagt, er sah das Spiegelbild eines anderen.
    Eines Jungen in seinem Alter. Der Junge hatte weder Sommersprossen noch rotblonde Haare noch helle, fast unsichtbare Augenbrauen, er hatte weder einen kleinenLeberfleck neben dem Adamsapfel noch blaue Augen, einen angeschlagenen Schneidezahn oder ein Kinngrübchen. Das Gesicht, das Alex aus dem Spiegel entgegenblickte, war sonnengebräunt und hatte braune Augen, auf der Oberlippe den stoppligen Ansatz eines Schnurrbartes und dunkle Haare, die so kunstvoll unfrisiert aussahen, wie es Alex mit seinen eigenen Haaren nie hinbekam. Der einzige Makel war ein leichter Knick in der Nase, der offenbar von einem früheren Bruch herrührte. Alex betastete seinen eigenen Nasenrücken. Der Junge im Spiegel tat dasselbe. Alex spürte ganz deutlich die Unebenheit unter seiner Haut.
    Er beugte sich über die Kloschüssel und übergab sich, spuckte unverdaute Milch und Cornflakes aus.
    Von draußen tönte es: »Beeil dich, Philip!«
    Philip.
    Er betrachtete seine Hände. Sie waren zu groß. Seine Arme genauso. Er hatte Muskeln. Auf den Unterarmen sprossen schwarze Haare statt rötlicher. Seine Finger waren dicker, die Nägel leicht geriffelt. Das Muster der
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