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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Martyn Bedford
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du mich bitte zurückrufen? Kannst du herkommen und mich abholen?« Wieder blieb ihm die Stimme weg, aber er riss sich zusammen, erklärte, dass er von einem fremden Handy anrief, und las die Nummer vor, die in den Kontakten unter ICH! stand. »Ich kapier gar nichts mehr, Mum. Ich hab Angst. Ich will   … ich will nach Hause.«
    Alex fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und atmete ein paarmal tief durch. Und jetzt?
    Er sah wieder auf die Uhr. Wenn Mum den Anrufbeantworter gleich abhörte, sobald sie in der Bibliothek eintraf, musste er eine halbe Stunde auf einen Rückruf warten. Auf der Mauer vor dem Haus fiel er unnötig auf, fand er, aber wieder reingehen konnte er auch nicht   – er hatte keinen Schlüssel. Er wühlte in Philips Jackentaschen. Kein Schlüssel. Nur ein Papiertaschentuch, ein
Snickers -Papier
und ein blauer Kugelschreiber.
    Da summte das Handy. Vor Schreck hätte Alex es fast fallen lassen. Eine SMS, kein Anruf. Er tippte auf »Öffnen«, denn es konnte ja trotzdem seine Mutter sein. Auf dem Display stand allerdings: »Donna«.
    hey sxy, wo steckste? machst du blau?!?
    Er schloss die Nachricht wieder. Philip hatte also eine Freundin. Schön für ihn.
    Er hatte die Eingebung, seine eigene Nummer anzurufen. Falls wirklich eine Art Körpertausch stattgefunden hatte, hatte Philip ja vielleicht Zugriff auf Alex’ Handy. Einen Versuch war’s wert. Aber als Alex gewählt hatte, teilte ihm eine Stimme vom Band mit, die Nummer sei nicht bekannt. Er versuchte es noch einmal. Wieder dasselbe. Wie konnte das sein?
    Er starrte das Telefon ein paar Sekunden an, dann steckte er es weg.
    Okay. Hier rumzuhocken brachte auch nichts. Also warf er sich Philips Schultasche über die Schulter und schlenderte die Straße hinunter, ohne zu wissen, wohin er eigentlich wollte, aber irgendwo musste er ja hingehen.Wenn seine Mutter ihn abholte, musste er ihr schließlich sagen können, wo er war.
     
    Philips Familie wohnte in einer Gegend mit gediegenen Ein- und Zweifamilienhäusern. Aus Natursteinen gemauert, nicht aus Backsteinen. Begrünte Vorgärten, schicke Autos davor. Am Ende der Straße bog Alex nach links in eine breitere Straße ab. Hinter den Dächern unbebaute Landschaft   – Felder, Hügel, Bäume, Schafe. Demnach war er nicht in London, oder wenn doch, dann am äußersten Stadtrand. Hatte er überhaupt genug Geld dabei, um im Notfall allein nach Hause zu fahren? Er kramte noch einmal in Philips Taschen und fand etwas Kleingeld. Es würde wohl gerade für einen Bus- oder U-Bahn -Fahrschein reichen. Auf der anderen Straßenseite stand ein Supermarkt, dahinter verliefen Eisenbahnschienen. Autos fuhren vorbei, aber Alex war noch keinem Fußgänger begegnet. Er hatte niemanden fragen können:
Entschuldigung, können Sie mir bitte sagen, wo ich hier bin?
Eigentlich war es ganz hübsch hier, auch wenn er nicht wusste, wo das eigentlich sein sollte. Die Sonne schien auf die Häuserfassaden, in der Ferne erhoben sich grünviolette Hügel unter dem strahlend blauen Himmel. Alex schwitzte. Philips Jacke war zu warm. Wieder wunderte er sich darüber, dass Sommer war   – Juni   – und nicht grauer, feuchter Winter wie noch vor knappen elf Stunden.
    In einer einzigen Nacht hatte er ein halbes Jahr verschlafen.Am liebsten hätte Alex seinen Vater angerufen. Wie Dad das wohl »logisch« erklärt hätte?
    Als er an seinen Vater dachte, kamen ihm wieder die Tränen. Wenn es hier Juni war, musste es zu Hause auch Juni sein, und das bedeutete   … dass er ein halbes Jahr verschwunden war? Oder war er in eine Zeitschleife geraten? Nein, höchstwahrscheinlich hatten seine Eltern nicht nur keine Ahnung, wo er steckte, sondern machten sich schon seit Dezember die größten Sorgen um ihn.
    Um ihren vermissten Sohn. Oder war »Philip« jetzt ihr Sohn?
    Alex hatte Angst, mitten auf dem Bürgersteig zusammenzubrechen, aber er fing sich noch mal. Gerade eben. Seit er aus dem Haus gegangen war, hatte er sich eigentlich ganz gut gehalten. Er hatte sich darauf konzentriert, die Sache praktisch anzugehen; hatte versucht, nicht daran zu denken, wie er aussah und dass es sich grundfalsch anfühlte, in einem fremden Körper durch die Gegend zu laufen; und es war ihm tatsächlich gelungen, sich von dem abzulenken, was ihm zugestoßen war. Er hatte es geschafft, wieder Alex zu sein, wenn auch nur vorübergehend. Er
dachte
wie Alex. Der Körper mochte Philip gehören, aber der Verstand war noch sein eigener. Innerlich kam er sich gar
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