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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Martyn Bedford
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Haare und ein pickliges Kinn. Die Jacke hatte er lässig über die Schultern gehängt. Bestimmt einer von Philips Kumpeln. Er hatte sich gleich nach SP5 neben Alex geschoben. »Nix«, antwortete Alex. »Wollte bloß ’n bisschen Spaß haben.«
    »Von wegen.«
    Der fremde Junge hatte recht. Herr Löwenfeldt war außer sich gewesen. Vierzig Minuten lang hatte Alex so getan, als könnte er sich in einer Sprache verständigen, mit der er sich noch nie beschäftigt hatte. Dabei war er noch gut weggekommen: ein weiterer Eintrag in Philips Planer und die Verbannung an einen leeren Tisch ganz hinten, wo er reihenweise deutsche Vokabeln abschreiben musste   –
Mal sehen, ob du Deutsch nicht ebenso fließend lernen kannst wie faule Ausreden.
    »Ich hab Löwenfeldt noch nie so sauer erlebt«, sagte der Junge. »Ich dachte schon, gleich zerfetzt er deinen Planer in der Luft.«
    »Oder mich.«
    Sie hatten zwanzig Minuten Pause. Alex wusste nicht, wo er sich als Philip aufhalten sollte. An einem Tag wie diesem gingen die meisten wohl nach draußen. Vor allem wollte er den fremden Jungen loswerden. Es war ja nicht
sein
Freund, Alex wusste nicht mal, wie er hieß. Unterwegs schloss sich ihnen ein weiterer Junge an   – er sprang die beiden von hinten an, stützte sich mit einerHand auf Alex’ Schulter, mit der anderen auf die von Philips Mitschüler und schwang sich zwischen ihnen hindurch.
    »He, Luke! Flip-Man!«
    »Hallo«, erwiderte Alex.
Flip.
Auch der Lehrer hatte ihn so genannt. Philip   – Flip. Das passte. Es gefiel Alex sogar, jedenfalls war ›Flip‹ cooler als ›Philip‹ oder ›Phil‹.
    »Das war echt gut, wie du zu Löwenfeldt gesagt hast:
Ick bin ain Volltrottel.
« Der zweite Junge verpasste Alex lachend einen Rippenstoß. »Die Anwesenheitskontrolle hast du auch geschwänzt. Du legst es heute echt drauf an, Kumpel!« Er zog geräuschvoll die Nase hoch und schluckte runter. »Bist du schon Spraydose übern Weg gelaufen?«
    Alex musste auch lachen. Er hatte den Spitznamen von Miss Sprake richtig geraten.
    »Was ist denn daran komisch?«
    »Nichts, gar nichts, bloß   … nein, nichts. Ja, ich hab sie vorhin kurz getroffen. Keine große Sache.«
    »Kommst du mit nach hinten?«, fragte Nummer zwei verschwörerisch und hielt zwei gespreizte Finger an die Lippen. Alex brauchte einen Moment, um die Geste zu kapieren. »Heute nicht. Ich hab noch was zu erledigen.«
    »Was denn?«
    »Er meint Donna«, sagte Nummer eins.
    »Ach so,
Donna.
« Nummer zwei stieß Alex wieder in die Rippen. Er war groß und kräftig und seine Klamotten saßen irgendwie komisch. »Haste welche dabei?«, fragte er leise.
    Alex zog die Kartenschachtel heraus und ließ sie in die Hand seines Gegenübers gleiten wie ein Bühnenmagier bei einem Zaubertrick. Der Junge steckte die Schachtel ein. »Es sind noch acht drin«, sagte Alex. »Könnt ihr gerne aufrauchen. Ich will sie nicht.«
    »Echt?«
    »Ich rauche nicht.«
    Nummer eins lachte. »Na klar!«
    Beide Jungen schauten Alex gespannt an, als warteten sie auf die Pointe von einem Witz.
    »Ich muss pinkeln«, sagte Alex. »Bis nachher.«
     
    Alex musste zig Spinde durchprobieren, bis er den von Philip gefunden hatte. Er schloss ihn mit dem Schlüssel am Tittenring auf, suchte sich die Bücher heraus, die er heute noch brauchte, dann verbarrikadierte er sich für den Rest der Pause auf dem Klo. Auch die Mittagspause über versteckte er sich dort, obwohl er einen Riesenkohldampf hatte. Die Vorstellung, noch mehr von Philips Freunden kennenzulernen oder womöglich eine seiner Freundinnen, machte ihn fertig. Er wusste nicht, wie er sich ihnen gegenüber verhalten sollte. Er wollte überhaupt nicht hier sein! Irgendwie musste er die Zeit rumkriegen und sich möglichst bedeckt halten, bis er wieder an sein Handy rankam. Wenn er endlich mit Mum gesprochen hatte, würde sich das Ganze bald aufklären. In Flips Unterricht erschien er aber, damit er überall als ›anwesend‹ eingetragen wurde; schließlich wollte er nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
    Es war nicht immer ganz leicht, das jeweilige Klassenzimmer zu finden. Er wusste auch nie, wo und neben wem er saß (oder eben normalerweise nicht saß). Er vermied nach Möglichkeit, seine Mitschüler anzusehen oder sich gar mit ihnen zu unterhalten. Das trug ihm schiefe Blicke und Sticheleien ein, aber damit konnte er leben. Wenn die anderen fanden, dass Flip sich komisch benahm   – na und? Dass ihm ein halbes Jahr Schulstoff
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