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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Martyn Bedford
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kann?«
    Damit ließ sie den Anhänger auf die Fußmatte fallen, drehte sich auf dem Absatz um und trampelte nach oben. Irgendwas roch ziemlich gut. Teris Parfüm. Vielleicht war sie nicht immer so fies. Nur zu ihm. Weil er ihr Bruder war. Alex konnte sich manchmal selbst nicht leiden, wenn er seinen eigenen kleinen Bruder mies behandelte. Ob es Teri auch so ging?
    Jetzt hätte er allerdings alles dafür gegeben, um Sams dümmliches Grinsen sehen zu können.
    Alex überlegte, ob er direkt nach oben in Flips Zimmer gehen und sich dort einschließen sollte, aber der Hunger siegte. Er ging nach unten in die Küche, schmierte sich ein Marmeladenbrot, schnitt sich noch eine Scheibe Käse ab, goss sich ein Glas Milch ein und verputzte alles im Stehen. Als er Teller und Glas in den Geschirrspüler stellte, kam der Hund in die Küche getapst, stellte sich vor die Hintertür und schaute Alex auffordernd an.
    »Musst du mal pinkeln, Beagle?«
    Der Hund knurrte ihn an, als Alex den Schlüssel von einem Haken nahm und die Tür aufschloss. »Hör mal, Dicker, ich tu dir einen Gefallen. Von mir aus kannst du auch auf den Küchenboden pinkeln.«
     
    Seine Mutter würde erst in einer Stunde nach Hause kommen, nachdem sie Sam vom Hort abgeholt hatte. Alex lag auf Flips Bett und beschloss, mit dem Anruf so lange zu warten   – diesmal wollte er keine Nachricht hinterlassen, er musste direkt mit ihr reden. Er starrtean die Decke und versuchte, ruhig zu bleiben und sich zu überlegen, was er sagen wollte. Mums Arbeitskollegin, Kath-oder-Kathy, hatte gesagt, sie würde die Polizei verständigen, falls er noch einmal in der Bibliothek anrief. Sie konnte ihn aber nicht daran hindern, zu Hause anzurufen.
    Alex hörte noch einmal die Mailbox ab. Mums Kollegin hatte ihn »krank« genannt. Krank im Kopf.
Abartig.
    Er versuchte sich zu erinnern, was er auf den AB in der Bibliothek gesprochen hatte. Dass er nicht wusste, was passiert war und wo er sich überhaupt befand; dass er Angst hatte und nach Hause wollte; dass Mum herkommen und ihn abholen sollte. Was war daran so schlimm?
    Es sei denn, Mums Kollegin hatte seine Stimme nicht erkannt.
Ich weiß nicht, wer Sie sind und wie Sie an diese Nummer gekommen sind.
Wenn sie nun glaubte, er erlaube sich einen grausamen Scherz und tat nur so, als sei er Alex? Angenommen, der Körpertausch hatte nur einseitig stattgefunden. Angenommen, Alex   – der richtige, der körperliche Alex   – war seit einem halben Jahr verschollen, und auf einmal, völlig unvermittelt, hinterließ ein Junge eine Nachricht auf dem AB von Mums Arbeit und behauptete, ihr verschwundener Sohn zu sein.
    Aber da passte zu vieles nicht zusammen. Als Erstes die Sache mit dem halben Jahr   – die kam ihm vor wie ein Teil aus einem verkehrten Puzzle. Wo hatte »Alex« die ganze Zeit gesteckt? Allem Anschein nach hatte Flip sein ganz normales Leben geführt: Er hatte Sport getrieben,sich Freundinnen zugelegt und sich in der Schule gequält. Aber was war mit
ihm
? Mit
Alex
? Was hatte er in all diesen Monaten getan, bevor er plötzlich im Körper eines anderen Jungen aufgewacht war und jetzt dessen Leben leben musste?
    Die Frage brachte ihn auf eine Idee. Er sprang vom Bett und schaltete Philips schicken Rechner mit dem Flachbildschirm an. Der Rechner brauchte eine Ewigkeit, bis er hochgefahren war. Als er endlich so weit war, musste Alex feststellen, dass sowohl der Internetzugang als auch Flips Mails passwortgeschützt waren. Alex fuhr den Rechner wieder runter und haute wütend die Maus auf das Mousepad. Als der Bildschirm erlosch, erblickte er es wieder: sein Spiegelbild   – als wäre er in dem Monitor gefangen, als starrte er sich von dort aus selbst ins Gesicht.
    Nein   – nicht
sein
Spiegelbild. Das von Flip.
    Wer war »er« denn überhaupt noch?
    Er betrachtete sich immer noch als Alex Gray. Seine Gedankengänge waren noch die gleichen, seine Erinnerungen, Wahrnehmungen, Gefühle, Ansichten. Sein   …
Wille.
Aber wenn er in einen Spiegel schaute und laut »Ich bin Alex Gray« sagte, bewegten sich die Lippen eines anderen Jungen, der nicht
er
war.
    In der Schule hatte er erschrocken festgestellt, dass er mit Flips Handschrift schrieb. Der Stift hatte sich in der großen, unvertrauten Hand komisch angefühlt und das Schreiben war mühselig gewesen, als müssten die Muskeln in seinen (Flips) Fingern die Signale aus seinem(Alex’) Gehirn erst entschlüsseln. Als Alex das Geschriebene betrachtete, sah es ganz anders
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