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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Martyn Bedford
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aus als seine eigene Handschrift, aber praktisch genauso wie Flips Schrift auf den vorigen Heftseiten.
    Was, wenn er auch wie Flip
sprach
? Für ihn selbst hatte es sich nicht angehört, als redete er anders, aber er hatte ja auch Flips Stimmbänder. Flips Mund, Zunge, Kehlkopf, Muskulatur. Natürlich hatte er Flip nie sprechen hören, weshalb er auch keine Ahnung hatte, ob sie sich ähnlich anhörten, was Klang und Stimmhöhe betraf. Aber selbst wenn, fiel ihm ein, so musste der andere Junge einen Yorkshire-Akzent haben. In der Schule hier in Litchbury sprachen alle so. Hätte Alex den ganzen Tag wie ein Londoner geredet, wäre das mit Sicherheit jemandem   – Flips Mutter, seiner Schwester, seinen Kumpels, den Lehrern   – aufgefallen.
    Demnach hatte er, als er die Nachricht auf dem AB in der Bibliothek hinterlassen hatte   … und wenn er nachher mit seiner Mutter sprechen würde   …
    Alex schnappte sich wieder Flips Handy und fand heraus, wie man eine neue Ansage aufnehmen konnte. Er sprach ins Mikrofon:
Hallo, hier ist   … ich bin’s. Nachrichten bitte nach dem Ton, ich rufe dann zurück.
Dann drehte er die Lautstärke auf und spielte sich seine eigenen Worte vor.
    Es klang überhaupt nicht nach ihm.
     
    Er hielt das Telefon noch in der Hand, als wieder eine SMS von einer der Freundinnen eintraf. Billie. Sie wolltewissen, warum Flip sie versetzt hatte. Da fiel es Alex wieder ein: Diese Billie hatte vorgeschlagen, sich nach der Schule bei
Smoothies
zu treffen, wo immer das war. Er löschte die Nachricht, ohne zu antworten. Damit konnte er sich jetzt nicht auch noch abgeben.
    Schon komisch. In Crokeham Hill hatte er sich sehnlichst eine Freundin gewünscht, und jetzt, wo er gleich zwei davon hatte, wollte er einfach nur, dass sie ihn in Ruhe ließen.
    Das Mädchen auf dem Parkplatz   … war sie die dritte? So wie sie ihn angesehen hatte, spielte sich aber nichts dergleichen zwischen ihr und Flip ab. Trotzdem war da
irgendetwas.
Irgendeine Verbindung zwischen ihnen. Es war Alex peinlich gewesen, als er gemerkt hatte, dass sie schon die ganze Zeit auf der Mauer gesessen und seine Reaktion auf die Mailbox-Nachricht mitgekriegt hatte. Was war das für ein Ausdruck in ihrem Gesicht gewesen? Es war weder Ablehnung noch Verwunderung, auch nicht das gehässige Grinsen von jemandem, der einen in einem schwachen Augenblick ertappt und das jetzt gegen einen verwenden kann. Es hatte aber auch keine Sympathie in ihrem Blick gelegen, oder Mitgefühl. Sie hatte ihn einfach nur unverwandt angesehen und seine Verlegenheit hatte sie offensichtlich nicht verlegen gemacht. Es war eine neutrale Neugier gewesen, als hätte das Mädchen in die Anfangsszene eines Fernsehfilms gezappt und sich noch nicht entschieden, ob sie weiterschauen oder umschalten wollte.
    Er hatte sie wiedererkannt. Die mausfarbenen, schulterlangenLocken, die blasse Haut und die zu dünnen Arme. Sie hatte am Vormittag mit ihm im Englischunterricht gesessen. Bei einer Diskussion über ein Gedicht hatte sie erzählt, sie sei mal mit ihren Eltern durch Wales gefahren und jemand hätte im Autoradio ein Gedicht von Gerard Manley Hopkins auf Walisisch vorgetragen. Der Rhythmus, die Wortmelodie, die
Musikalität.
Ein paar Mitschüler hatten gelacht. Alex hatte zu ihr hinübergeschaut und erwartet, dass sie rot oder wütend würde, aber der Spott schien sie nicht im Geringsten zu berühren. Das hatte ihn beeindruckt. Auch das, was sie über Poesie gesagt hatte.
    Cherry, hatte Miss Sprake sie genannt. Cherry Jones.
    Auf dem Parkplatz hatten sie kein Wort miteinander gewechselt. Nur ein kurzer Augenkontakt, dann war ein Auto gekommen und hatte vor der Mauer angehalten, auf der sie saß. Cherry war hinuntergesprungen, hatte das Cello in den Kofferraum gelegt und sich auf den Beifahrersitz neben eine Frau gesetzt, vermutlich ihre Mutter. Beim Wegfahren hatte die Frau einen Blick in seine Richtung geworfen, aber das Mädchen hatte stur geradeaus geschaut.
     
    Um halb sechs rief Alex zu Hause an.
    Teilnehmer nicht erreichbar.
    Zuerst war seine Handynummer nicht bekannt, und jetzt das. Alex rief die Auskunft an und gab die gewünschten Daten durch. Nach einer kurzen Pause meldete sich die Frau wieder und sagte, die Nummer sei geändertworden. Die neue Nummer sei nicht im offiziellen Telefonbuch verzeichnet. Es tue ihr leid, aber sie dürfe sie ihm nicht geben.
     
    Alex rannte die Treppe runter, immer zwei Stufen auf einmal. Er musste raus. Er musste in Bewegung
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